Zurück in die Steinzeit
Schottergarten-Verbot längst überfällig
Im Frühling beschäftigt Deutschland wieder, was längst zu einem Politikum geworden ist. Schotter oder Natur? Sein oder nicht Sein von Pflanz und Tier. Wir fordern ein endgültiges Verbot.
Was für die einen Arbeitserleichterung, Ästhetik und Modernität verkörpert, wird bei der Erstellung einiger Bebauungspläne für Neubaugebiete bereits aufs Schärfste diskutiert – zu Recht, wie wir und viele andere Naturschutzverbände finden. Schottergärten, Steinwüsten oder „Gärten des Grauens“ – neben der Geschmacksfrage sind es hauptsächlich Umweltgründe, die dagegen sprechen. Nordrhein-Westfalen geht mit gutem Beispiel voran. Dort haben bereits drei Städte ein Schotter-Vorgarten-Verbot ausgesprochen. In Berlin sind wir da leider noch weit von entfernt.
Kein Platz für Vielfalt
Eigentlich sollten diese Kiesflächen gar nicht als "Garten" bezeichnet werden dürfen. Bei der Anlage eines Schottergartens wird nach dem Humusabtrag eine Folie verlegt, auf der eine dicke Schicht Gestein verteilt wird. Basalt, Marmor, Gletscherkies, Granit oder Quarz – da schafft es nicht mal das robusteste Kraut hindurch. Abgesehen von der biologischen Ödnis und dem Verlust der Bodenfruchtbarkeit, werden so ohne Not weitere Flächen versiegelt und stehen zur Versickerung von Regenwasser einfach nicht zur Verfügung. Hinzu kommt, dass – wenn überhaupt etwas Grünes erwünscht ist – häufig auf Neophyten zurückgegriffen wird, die oft keine ökologische Funktion haben, weil sie meist Tieren weder Nahrung noch Unterschlupf bieten. Die Steine stammen im Übrigen auch nicht aus dem heimischen Steinbruch, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit aus China oder Indien. Der NABU-Fotowettbewerb „Gärten des Grauens“ brachte das ganze Ausmaß ans Licht. Dass es so schlimm um die Vorgärten steht, hätten wir nicht gedacht - Da helfen auch keine Samenbomben mehr.
Auch Vorgärten und kleine Grünflächen haben eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt und das Klima. Sie sind Lebensräume für Pflanzen, Insekten und Vögel. Die Pflanzen filtern Feinstaub aus der Luft, produzieren Sauerstoff und sorgen zusammen mit dem Boden für Abkühlung. Steinflächen heizen sich im Sommer stark auf, speichern die Wärme und geben sie wieder an ihre Umgebung ab. Für das Stadtklima wird das zum Problem, vor allem, wenn durch neue Bebauungen notwendige Kaltluftschneisen wegfallen.
Ein steiniger Weg zum neuen alten Naturgarten-Bewusstsein
Oft sind es Neubausiedlungen, die statt zu grünen Oasen für Mensch und Tier zu wahren Steinwüsten verkommen. Ökologisch tot in verschiedenen Grautönen kommen sie daher, wobei mit Steinen gefüllte Gitter als Umzäunung wohl die Krönung des Nicht-Gärtnerns darstellen. Die Farbnuancen reichen von Weiß, Grau gesprenkelt bis Schwarz. Auch ausgefallenes Rosa oder Orange ist möglich. Dafür ist allerdings Mut gefragt – offenbar keine Eigenschaft, durch die sich der Otto-Normal-Schottergärtner auszeichnet, noch sind diese Farbpaletten selten. Zeit, die echte Gärtner fürs Unkrautjäten, Rasenmähen oder Laubharken „vergeuden“, können Steingartenbesitzer dazu nutzen, schon mal die passenden Pestizide auszuwählen, die sie nach ein paar Jahren zur Entmoosung ihrer Endmoränenlandschaft einsetzen können. Heimlich natürlich, denn die Anwendung im Gartenbereich ist in Berlin verboten. Mit einem durchschnittlichen Pflegeaufwand von zwei Minuten pro Quadratmeter pro Jahr wirbt ein Online-Ratgeber für Schottergärtner. Wer nichts gepflanzt hat, sollte lediglich regelmäßige Kontrollgänge durchführen, so heißt es. Gartenplaner verdienen mittlerweile gutes Geld mit der Verschotterung, denn die wenigsten Eigentümer schleppen sich selbst mit tonnenweise Gesteinsbrocken ab.
Während der vor etwa sieben Jahren geborene Kiesel-Trend wild um sich greift, melden sich immer mehr Gegner zu Wort. Doch der Kampf ums Grün ist zermürbend. Umweltschützer und grüne Abgeordnete stehen Eigenheimbesitzern gegenüber, die sich gegängelt und entmachtet fühlen. Schließlich handele es sich um ihr eigen Grund und Boden. In Dortmund protestierte die CDU gegen das Schottergartenverbot, das in mehrere Bebauungspläne aufgenommen worden war. Es sein ein massiver Eingriff in das Privateigentum der Bürger, argumentierte sie.
Schotter-Verbot für die Hauptstadt
Der NABU Berlin fordert auch für die Hauptstadt ein Verbot von Schottergärten. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Insektenschwundes und der zunehmenden Mischwasserüberläufe durch Starkregenereignisse und der enormen Anstrengung des Senats, die Regenwassereinleitungen auch in Baugebieten zu reduzieren, ist das Verbot eine notwendige Konsequenz. Durch die in den „Hinweisen zur Begrenzung von Regenwassereinleitungen bei Bauvorhaben in Berlin (BReWa-BE)“ angekündigten rechtlichen Einleitvorgaben sollten die „Gärten des Grauens“ in Zukunft sowieso unzulässig sein.
Bis dahin appelliert der NABU Berlin an alle Gartenbesitzer, Blumenwiesen zu säen, statt Splittwüsten aufzuschütten und wünscht sich Schmetterlinge statt Steinbrüche und Rotkehlchen statt Granit.
Text: Christine Szyska