Umweltverbände kritisieren „Schneller-Bauen-Gesetz“
Einschnitte bei Natur- und Artenschutz werden Bauen nicht beschleunigen
Berlin, 23. April 2024 – In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisieren sechs Berliner Naturschutz- und Umweltverbände die geplanten Einschnitte im Schneller-Bauen-Gesetz. Angeblich sollen mit dem von Bausenator Christian Gaebler (SPD) kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf Bauvorhaben schneller als bisher umgesetzt werden können.
Viele der geplanten unnötigen und sinnfreien Einschnitte beim Natur- und Artenschutz im Senatsentwurf des Schneller-Bauen-Gesetzes werden allerdings nicht dazu beitragen, dass Bauvorhaben in Berlin künftig schneller umgesetzt werden können. Statt mit einem Schneller-Bauen-Gesetz auf der grünen Wiese ohne Natur- und Artenschutz den Neubau voranzutreiben, sollte sich Senator Gaebler vor allem um Themen wie den Umbau vorhandener Gebäude zu Wohnraum oder Aufstockung kümmern.
Die Verbände kritisieren unter anderem folgende geplante Regelungen:
Ersatzmaßnahmen sollen zukünftig nicht mehr innerhalb einer Frist von zwei Jahren ausgeglichen werden. Davon abgesehen, dass Bauvorhaben damit nicht schneller fertig gestellt werden, erschwert das die ohnehin schon komplizierten Kontrollmaßnahmen, weil die Ämter teilweise nicht über die personellen Kapazitäten verfügen. Sanktionsmöglichkeiten werden damit erheblich erschwert, wenn nicht verhindert.
Des Weiteren sollen konkret benannte Ausnahmen für Zerstörungen und Beeinträchtigungen von im Bundesgesetz genannten Biotopen geschaffen werden, um den Wohnungsbau zu fördern. Solche Ausnahmemöglichkeiten sind bereits im Bundesgesetz formuliert. Dass nun im Berliner Landesgesetz Wohnungsbau und soziale Infrastruktur als „überwiegende öffentliche Belange“ definiert werden, soll den Bauämtern offenbar größere Entscheidungsspielräume gegen den Erhalt von Biotopen eröffnen.
Für Ausnahmen des Störungsverbots von besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten nach dem Bundesnaturschutzgesetz sollen den anerkannten Naturschutzverbänden für fachliche Stellungnahmen nur noch zwei Wochen Zeit gegeben werden. Bei Abstimmungsprozessen mit zwölf Verbänden unter dem Dach der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) ist das ein kritisches Vorhaben. Wenn aufgrund von Zeitmangel nicht alle relevanten Fakten zusammengetragen werden können, führt das unter Umständen nachträglich zu Verzögerungen im Bauablauf.
Außerdem kritisieren die Naturschutzverbände die unüblich kurze Frist von lediglich zwei Wochen für eine Stellungnahme zum Entwurf des Schneller-Bauen-Gesetzes.
Gewisse vorgesehene Änderungen in der Landesbauordnung begrüßen die Verbände. So die vorgesehene Prüfung der Artenschutzmaßnahmen vor Erteilung einer Baugenehmigung. Ein weiser Schritt kann die Verpflichtung des Bauherrn sein, ab 50 Wohneinheiten sowie bei Schulen und Kitas Bauantragskonferenzen durchzuführen. Für diese Konferenzen müssen aber neben den Fachbereichen auch die betroffene Öffentlichkeit als auch anerkannte Naturschutzverbände beteiligt werden.
Juliana Schlaberg, Teamleiterin Naturschutz NABU Berlin: „Mit dem Schneller-Bauen-Gesetz setzt Senator Gaebler am falschen Ende an. Um zukunftsfähiger zu bauen, ist es entscheidend, dass Natur- und Artenschutz sowie Klima-, Gewässer- und Denkmalschutz von Anfang an in der Planung berücksichtigt werden.“
Manfred Schubert, Geschäftsführer der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz: „Die geplanten Einschränkungen des Natur- und Umweltschutzes, insbesondere die Verkürzung der Beteiligungsfrist für die Naturschutzverbände, durch das (SBG) Gesetz sind der falsche Weg, dadurch wird es keine einzige Wohnung mehr oder schneller in Berlin geben.“
Tilmann Heuser, Geschäftsführer BUND Berlin: „Mit dem Schneller-Bauen-Gesetz wird das Dunkelfeld Artenschutz noch weiter vergrößert. Die Vorgänge werden so beschleunigt und verkürzt, dass eigentlich niemand mehr richtig nachvollziehen kann, was da passiert, welche Biotope und Arten vernichtet werden.“
Lena Assmann, Referentin für Stadtgrün, GRÜNE LIGA Berlin: „Die frühzeitige Beteiligung von Natur- und Artenschutz bei Bauvorhaben ist nicht nur notwendig, damit unsere Stadt auch in Zukunft lebenswert bleibt, sondern verhindert auch Verzögerungen im späteren Ablauf. Die geplanten Einschnitte sind in Zeiten von Klima- und Biodiversitätskrise ein falsches Signal und werden die Wohnungsnot in Berlin nicht beheben.“
Uwe Hiksch, NaturFreunde Berlin: „Das Schneller-Bauen-Gesetz ist ein Kotau vor den Interessen der Baulobby. Mit einer klimagerechten Stadtentwicklung ist dieses Gesetz nicht vereinbar. Der Gesetzentwurf wird zu einer weiteren massiven Versiegelung von Berlin beitragen und den klimagerechten Umbau Berlins verhindern.“
Beim Schneller-Bauen-Gesetz handelt sich um ein sogenanntes Artikelgesetz, mit dem verschiedene Landesgesetze geändert werden sollen. Dazu gehören die Berliner Landesbauordnung, das Denkmalschutzgesetz, das Naturschutzgesetz, Landeswaldgesetz, Baumschutzverordnung und einige weitere.
Folgende Verbände haben sich an der Erarbeitung der Stellungnahme beteiligt: Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. (BLN), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Landesverband Berlin (BUND Berlin), GRÜNE LIGA – Netzwerk ökologischer Bewegungen e.V., Landesverband Berlin (GRÜNE LIGA Berlin), Naturschutzbund Deutschland e.V., Landesverband Berlin (NABU Berlin), NaturFreunde Deutschlands e.V. - Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur, Landesverband Berlin, Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin e.V.
Text: Janna Einöder, 23.04.2024
UPDATE: Positionspapier BLN
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