Bauen, Bauen, Bauen – Aber wie?
Position und Forderungen des NABU Berlin an die Zukunftsstadt Berlin
20.000 neue Wohnungen sollen pro Jahr in Berlin entstehen. Gleichzeitig möchte die Regierung bis 2030 eine Netto-Null-Flächenversiegelung erreicht haben. Wie passt das zusammen, wenn immer mehr Frei- und Grünflächen dem Bauen zum Opfer fallen? Der NABU Berlin hat fünf Forderungen formuliert und stellt Baupotenziale auf bereits versiegelter Fläche vor – für Mensch UND Natur.
Naturschutz ist Klimaschutz. Wenn Wälder nicht abgeholzt werden, Moore nicht trockenfallen und Freiflächen nicht bebaut werden, binden sie CO2, das dann nicht in die Atmosphäre entweicht. Umgekehrt ist Bauen eine der klimaschädlichsten menschlichen Aktivitäten überhaupt. Trotzdem werden weiter großflächig Flächen versiegelt, statt Alternativen zu nutzen. Friedhöfe, Landschaftsschutzgebiete, aber auch Flächen ohne Schutzkategorie, auf denen geschützte Arten vorkommen, sind wichtig für Berlins Biodiversität – und dennoch nicht vor Bebauung sicher.
Die Politik muss dringend handeln. Eigentlich sollte Deutschland bereits bis 2020 das Ziel erreichen, pro Tag weniger als 30 Hektar für Siedlungen und Verkehrsflächen zu versiegeln. Dies wurde verfehlt. Der aktuelle Bauboom macht es nun unwahrscheinlich, das 30-Hektar-Ziel wenigstens bis 2030 zu erreichen. Dabei hat der Bundesrat bereits 2011 beschlossen, dass spätestens 2030 eine Netto-Null-Flächenversiegelung erreicht sein muss. Zu diesem Beschluss hat sich Rot-Grün-Rot zuletzt im Koalitionsvertrag bekannt. Wie sich die Reduzierung des Flächenverbrauchs mit der Absicht des Berliner Senats verträgt, 20.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, bleibt ein Geheimnis.
Von Plänen und Verpflichtungen
Wo man diese Wohnungen bauen möchte, ist sowohl im Koalitionsvertrag als auch im STEP Wohnen beschrieben: Vorrangig sollen große, neue Stadtquartiere auf freier Fläche entstehen, etwa auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel – obwohl der Koalitionsvertrag ebenfalls die „verträgliche Nachverdichtung, Aufstockung, Transformation im bebauten Bereich wie zum Beispiel Parkplätze, Nutzungsstapelung, graue Flächen“ vorsieht.
Mehr Menschen in der Stadt unterzubringen und zugleich die Ökosystemdienstleistungen der Natur zu erhalten, ist kein Widerspruch, sondern eine Verpflichtung. Dieser Verpflichtung müssen Politiker*innen und Behörden nachkommen, um eine hohe Lebensqualität zu gewährleisten.
Versiegelte Flächen vor Freiflächen!
Dem Schutz von Freiflächen muss deshalb endlich Vorrang eingeräumt werden. Die Zunahme von Starkregenfällen und Hitzeperioden zeigt eindrücklich, welchen hohen Wert Versickerungsflächen und Schatten spendende Bäume haben. Wir müssen dem Klimawandel auch mit dem Erhalt und Schutz artenreicher Grünflächen begegnen. Artenkrise und Klimakrise sind eng miteinander verknüpft und müssen gleichzeitig bewältigt werden – weltweit und in Berlin.
Im Baugesetzbuch heißt es: „Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen“ (§1a Abs. 2 BauGB). Doch diese gesetzliche Verpflichtung wird viel zu wenig berücksichtigt.
Leider ist die Ermittlung bereits versiegelter Flächen in Berlin durch ungenaue, teils veraltete Daten und pauschale Versiegelungsgrade nicht exakt möglich. Etwa zwei Drittel Berlins dienen als Siedlungs- und Verkehrsflächen, davon war mehr als die Hälfte (34,7 Prozent des Stadtgebiets) im Jahr 2019 versiegelt. Als „versiegelt“ gilt eine Fläche, wenn diese bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt ist. Durch solch eine Befestigung gehen die Funktionen des Bodens verloren, etwa die Fruchtbarkeit oder der Beitrag zur Grundwasserneubildung.
Wir haben es geprüft!
Potenzialflächen für Bebauung - Aktualisiert!
Wir haben es geprüft: In Berlin gibt es mehr als 1.140 Hektar Grund – mehr als dreimal so viel wie die Fläche des Tempelhofer Feldes – , die bereits versiegelt sind und ohne Neuversiegelung, große Schäden am Ökosystem und für die Artenvielfalt für Wohnungsneubau genutzt werden könnte. Dabei handelt es sich vorrangig um große Parkplätze, einstöckige Supermärkte und andere Bauten sowie leer stehende Gebäude. In Stadtteilen mit großem Grünflächenmangel würden wir jedoch dazu raten, diese Flächen zu entsiegeln und dort etwa insektenfreundliche Bepflanzungen anzulegen. Dieses Entisgeelungspotenzial haben wir ebenfalls in der aktualisierten Version des Positionspapier errechnet.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Berlin muss endlich die Flächenversiegelung stoppen und statt dessen ernsthaft mit der Entsiegelung asphaltierter oder zubetonierter Flächen beginnen.
Der NABU Berlin fordert...
1. Priorität für die Bebauung bereits versiegelter Flächen
Es darf keine Option mehr sein, „auf der grünen Wiese“ günstig zu bauen. Stattdessen sollten Aufstockung und Nachverdichtung, insbesondere auf bereits versiegelten Flächen, vereinfacht werden. Nicht der Schutz einer Fläche vor Bebauung muss besonders begründet werden, sondern ihre Inanspruchnahme.
2. Konsequente Aufstockung
Eingeschossige Gebäude ebenso wie alle anderen statisch dazu geeigneten Bauten können durch Aufstockung flächensparend mehr Wohnraum bieten. Es müssen Anreize geschaffen werden, um die Aufstockung lukrativ zu machen. So bieten einstöckige Supermärkte ein großes Potenzial für zusätzlichen Wohnraum.
3. Bedarfsgerechtes Bauen
Jedes Jahr muss der Bedarf an neuen Wohnungen kritisch geprüft werden. Dabei müssen die Möglichkeiten zur Umverteilung des bestehenden Wohnraums sowie der prognostizierte Zuzug und Flächenbedarf pro Kopf berücksichtigt werden. Wenn weniger Bedarf bestehen sollte, dürfen entsprechend weniger Baugenehmigungen erteilt werden.
4. Schutz großer Freiflächen vor Bebauung
Mit der Fortschreibung des Landschaftsprogramms (LaPro) ist sicherzustellen, dass sich der Flächennutzungsplan künftig daran orientiert und anpasst. Umweltbelange dürfen bei Bebauungsplanverfahren nicht länger unter den Tisch fallen. Für die Durchsetzung und Kontrolle planerischer Vorgaben etwa in Bebauungsplänen muss genug Personal zur Verfügung stehen.
5. Umsetzung bestehender Pläne und Programme
Die Naturschutzverbände sind als Träger öffentlicher Belange anzuerkennen und somit in den Bauleitplanverfahren frühzeitig und verpflichtend zu beteiligen. Für die sogenannte „grüne Infrastruktur“, etwa Biotopverbund- und Klimaanpassungsmaßnahmen oder Gewässerrenaturierungen sind verbindliche Maßstäbe und Vorgaben aufzustellen, wie es sie für die „graue Infrastruktur“ schon lange gibt. Konzepte und Programme wie etwa die „Strategie zur biologischen Vielfalt“, die „Charta für das Berliner Stadtgrün“ oder das „Handbuch Gute Pflege“ müssen verpflichtend sein und ihre Umsetzung kontrolliert werden.
Positionspapier "Stadtnatur statt Versiegelung" zum Download
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