Schutzgebiete schützen häufig nicht
Diskussion über Lösungsansätze auf Naturschutztag
Berlin, 24. Februar 2024 – Von Schutzgebieten erwarten wir, dass sie die geschützte Natur und ihre Artenvielfalt dauerhaft bewahren. Dass sie dieses Versprechen in der Praxis leider oft nicht einlösen, zeigten die Vorträge und Diskussionen auf dem 23. Berliner Naturschutztag, zu dem auf Einladung des NABU Berlin heute Expert*innen aus Wissenschaft, Politik, Verbänden und Behörden zusammengekommen sind.
Die meisten unsere Berliner Schutzgebiete sind in keinem guten Zustand. Biotope im Umkreis einer Großstadt leiden sehr unter dem hohen Nutzungsdruck von Menschen auf der Suche nach Erholung. Leider respektieren viele die Natur, die sie doch genießen wollen, nicht. Wassersportler*innen scheuchen im Schilf brütende Vögel auf, Hunde laufen frei herum und verjagen Wildtiere, beim Picknick wird schon mal ein Lagerfeuer im Wald entzündet – all das kann man im Sommer in Berliner Schutzgebieten fast täglich erleben.
Ein weiteres Problem ist zwar weniger offensichtlich, langfristig aber umso kritischer: Wegen Personalmangel und fehlender finanzieller Mittel werden viele Schutzgebiete nicht fachgerecht gepflegt, und das wichtige Monitoring der dort lebenden Arten entfällt. Dann wird zum Beispiel ein artenreicher Trockenrasen mit der Zeit von Luzerne und Robinien überwuchert. Das ist zwar auch Natur, aber eine viel artenärmere als der Lebensraum, den man eigentlich schützen wollte.
Neue Bedrohung: Windkraft
Mit der Windkraft komme nun eine weitere Bedrohung auf die Berliner Naturschutzgebiete zu: Wenn Bausenator Gaebler weder Industrie- und Gewerbegebiete noch zukünftige Stadtquartiere für Windenergieanlagen hergeben möchte, läuft es darauf hinaus, dass Schutzgebiete massiv durch Windkraft beeinträchtigt werden. Das darf nicht passieren. Zumindest in diesem Punkt machte Umweltsenatorin Manja Schreiner den Naturschützer*innen in ihrem Grußwort Hoffnung, denn sie versprach, Wälder nach Möglichkeit von Windrädern freizuhalten: „Wir werden um jeden Quadratmeter Wald kämpfen!“
Lösungsansätze: Monitoring, Beweidung, Ehrenamt
Auf dem Naturschutztag wurden aber auch Lösungsansätze vorgestellt, um Schutzgebiete in Berlin und ganz Deutschland nachhaltig zu managen. "Um die Auswirkungen von Outdooraktivitäten auf Wildtiere zu minimieren, ist die Implementierung eines Besucher- und Wildtiermonitorings in Schutzgebieten wichtig. Dann kann man gebietsspezifische Managementstrategien herleiten“, sagt Anne Peters vom Nationalpark Bayerischer Wald.
Professor Erik Aschenbrand von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hob in seinem Vortrag die Bedeutung ehrenamtlicher Naturschutzarbeit hervor: „In urbanen Gesellschaften wird Natur vor allem in der Freizeit erlebt. Besonders der Tourismus steht in der Kritik, Natur nur zu konsumieren. Naturbezogenen Hobbies und dem Ehrenamt kommt eine besondere Bedeutung zu, denn Ehrenamt im Naturschutz schafft eine Dauerbeziehung zu Natur.“
Um geschützte Offenlandschaften trotz knapper Kassen und Arbeitskräftemangel vor dem Zuwachsen mit Gehölzen zu bewahren, ist die Beweidung ein wichtiges Instrument: „Beweidung ist ein hochaktuelles Thema im Naturschutz. Der Einsatz von pflanzenfressenden Huftieren wie Rind und Pferd ist nicht nur eine Art der landwirtschaftlichen Bodennutzung, sondern ein natürlicher Prozess, an den viele unserer Pflanzen und Tiere sich während ihrer Evolution angepasst haben“, sagt Dr. Margret Bunzel-Drüke von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest.
Entscheidend ist aber letztendlich der politische Wille, Naturschutzgebiete dauerhaft zu erhalten. Für die Berliner Landesregierungen der letzten Jahre hatte der Naturschutz leider überhaupt keine Priorität. Wir brauchen dringend besser ausgestattete Naturschutzbehörden, um einerseits die notwendige Pflege sowie das Monitoring unserer Schutzgebiete sicherzustellen und andererseits wertvolle, bislang ungeschützte Naturgebiete wie die Tegeler Stadtheide oder die Moorlinse Buch endlich unter Schutz zu stellen.
Text: Alexandra Rigos, 24.02.2024
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