Rehe, Rübezahl und schwarze Spechte
Ausflug nach Köpenick
Dort trafen wir uns mit Karsten Matschei, der die Kindergruppe Köpenick leitet und neben vielem anderen auch eine Ausbildung zum Jäger hat. Zur „Jagdausübungsberechtigung“, wie es offiziell heißt muss man eine Jagdschule besuchen und eine Prüfung ablegen. Karsten zeigte uns das Gebiet, in dem er einmal wöchentlich mit seiner Kindergruppe unterwegs ist. Es ist in der Nähe des Allende-Viertels, einer Großsiedlung, die so ganz nebenbei eines der größten Winterquartiere des Großen Abendseglers - Nyctalus noctua – ist. Genau genommen, ist Berlin die Hauptstadt der Fledermäuse. Und die Hauptstadt der Nachtigallen. Und die Hauptstadt der Habichte. Und die Hauptstadt der Mauersegler. Ach ja ^^ Nun war es aber mitten am Tag und spät im Jahr, von daher waren die Fledermäuse nicht Thema. Nun, wir gingen los und kamen in den angrenzenden Wald, wo wir sofort interessante Sachen entdeckten
Verschiedene Arten von Eichengallen. Wir Ihr euch erinnert, werden diese Gebilde von
- Insekten
- Spinnentieren wie z. B. Milben
- Pilzen
- Bakterien
hervorgerufen. Allen gemeinsam ist, dass sie die Pflanze dazu bringen, diese Auswüchse aus eigenem Material zu bilden. In der Mitte befindet sich das Ei oder der andere Nachwuchs der Verursachenden und wächst dort recht sicher und mit Nahrung versehen auf. Im Frühjahr schlüpfen dann z. b. die kleinen Gallwespen, Gallmilben, Gallläuse und wie sie alle heißen. Der Pflanze schaden sie in der Regel nicht.
Wir jedenfalls erfuhren, dass sich dort in Karstens Gebiet ein Habichtshorst befand, der inzwischen abgestürzt ist. Der Habicht muss also einen neuen bauen. Den Standort konnten wir leicht finden, denn wisst Ihr, was die Habichte in Berlin am meisten fressen: Tauben – Straßentauben und Brieftauben! Und wir fanden unter dem Baum Ringe der Brieftauben, die da als Vor-, Haupt- und Nachspeise gedient haben. Welch eine Aufregung!
Viele Nistkästen sind im Gebiet aufgehängt worden für
- Singvögel
- Fledermäuse
- Waldkauz
Diese Nistkästen hat Karsten mit seiner Gruppe niedrig aufgehängt, damit die Kinder da auch ohne Leiter rankommen können. Die Kästen werden regelmäßig kontrolliert und sie müssen im Herbst gereinigt werden. Wir haben bei einer solchen Aktion vor einiger Zeit auch einmal in Spandau mitgemacht. Man findet dann die alten Nester und manchmal unausgebrütete Eier darin und es ist sehr gut möglich, die ehemaligen Bewohner*innen zu bestimmen. Jede Vogelart baut auf eine bestimmte Weise. Wir fanden aber noch ganz andere Sachen! Spuren von Rehwild, von denen es – wie überall in Deutschland – unglaublich viel gibt. Wir sahen Äste, an denen ein Rehbock „gefegt“ hat. Das ist ein Ausdruck aus der Jägersprache (die muss man auch lernen für die Prüfung^^), es gibt da ganze dicke Wörterbücher.
Das kommt daher, dass der Beruf des Jägers/der Jägerin sehr alt ist und sich deshalb, wie in anderen Berufen auch, eine eigene Sprache entwickelt hat. Wir haben bei diesem Ausflug viel entdeckt, hatten aber vor Ort wenig Zeit, etwas zu besprechen. Deshalb hier nun einige Informationen. Rehe – genau genommen „Europäische Rehe“ – Capreolus capreolus - sind Wirbeltiere (Innenskelett) und Säugetiere (lebendige Junge, die gesäugt werden), gehören zur Familie der Hirsche, zur Gattung Rehe und zur Art Reh. Sie sind Wiederkäuer, also reine Pflanzenfresser, und gehören zu den Huftieren, hier den Paarhufern. Wie der Name sagt, laufen sie auf zwei Zehen (Paar).
(Das mit den Wiederkäuern besprechen wir nochmal genauer!). Die männlichen Rehe, die Rehböcke, tragen ein Geweih aus Knochen. Dieses wird jedes Jahr im Spätherbst abgeworfen und dann neu gebildet, wie es beim Rothirsch auch der Fall ist. (Bei letzterem noch viel erstaunlicher). Wenn das Geweih abgeworfen wurde, beginnt unter einer Hauthülle sofort das neue Geweih zu wachsen. Diese Haut nennt man Basthaut. Wenn das Geweih fertig ist, vertrocknet diese Schutzhaut und der Rehbock streift sie durch Reiben an Büschen und jungen Bäumen ab. Das wird „Fegen“ genannt.
Die Spuren dieses Fegens kann man finden, wenn man darauf achtet. Und die abgeworfenen Geweihe kann man auch finden. Aber Achtung: Diese gehören immer dem- oder derjenigen, der oder die dort die Jagdausübungs-berechtigung hat! Nimmt man diese Geweihe einfach mit, ist es Wilderei und strafbar. Auch andere Spuren von Rehen hat uns Karsten gezeigt: Normalerweise würden junge Bäume sofort in die Höhe wachsen. Können sie aber nicht, denn die Rehe fressen am liebsten junge Triebe. Deshalb sehen die jungen Bäume alle so aus wie der auf dem Bild – rund gelutscht 😉 Wir haben in Deutschland viel zu viel Rehwild, das ist weder gesund für die Natur noch für die Rehe selber. Die Ursachen liegen dabei in der Tat bei der Jagd selber; denn die natürlichen Feinde der Rehe, wie Wolf und Luchs, wurden ausgerottet. Im Winter ist man dazu übergegangen, Rehe und andere Tiere zu füttern. Normalerweise würden Kälte und Nahrungsmangel zum Tod schwächerer Tiere führen. Das war eine von vielen Fehlentscheidungen von Menschen – meine Meinung, andere haben eine andere. Es gibt seit rund 25 Jahren wieder Wölfe in Deutschland, inzwischen auch wieder Luchse, aber die können natürlich in so kurzer Zeit nicht ernsthaft die Population in den Griff bekommen. Außerdem sind sie immer noch nicht überall wieder angekommen und insgesamt viel zu wenige. Mit dem Thema Wolf, Luchs und allgemein „große Beutegreifer“ werden wir uns noch genauer beschäftigen, ich gehöre ja auch zu den Wolfsbotschafter*innen. Vorab informiert euch gerne hier: https://www.dbb-wolf.de/home
Fun Fact: Ein ausgewachsenes Reh wiegt rund 20kg und ist damit leichter als ein Biber!
Was wir noch fanden, waren die Spuren eines der anderen Tiere, die unsere Wälder bewohnen (und manchmal auch unsere Gärten…): Der Wildschweine. Zum Beispiel einen Baum, an dem sich die Wildschweine die Seiten schubbern, nachdem sie im Matsch gebadet haben. Dabei reiben sie an der Borke des Baumes den Schlamm ab und mit ihm alles, was sich im Fell bis dahin festgehalten hatte. Zum Beispiel auch Kletten! (Aha, wir erinnern uns an eine der Strategien, mit denen sich Pflanzen verbreiten!) Übrigens war es vor der Erfindung der Seife auch bei Menschen üblich, sich z. B. mit Öl einzureiben, dann im Sand zu wälzen und dann das Ganze mit einem Schaber zu entfernen. Wir kamen dann an den Müggelsee, das größte Gewässer in Berlin, wo wir Pause machten, Spuren der Mahlzeiten eines Fischotters fanden, und von wo wir uns wieder auf den Rückweg machten, vorbei an alten Eichen oder auch nicht vorbei…
(Man kann das ungefähre Alter eines Baumes bestimmen, indem man den Umfang in Zentimeter misst, die letzte Stelle streicht und das dann
Birke und Platane mal 4
Buche und Ahorn mal 6
Eiche und Linde mal 8
nimmt. Wir haben hier vier Kinder, also gaaaanz rund geschätzt 400 cm. Letzte Stelle streichen, macht 40, mal 8 (Eiche) macht 320. Ungefähr so alt ist diese Eiche! Meine Güte!)
Auf dem weiteren Rückweg wurde noch ein Stück Totholz umgedreht, da sahen wir Pilzmyzel, das sind die eigentlichen Pilzgeflechte. Und mittendrin ganz eingekuschelt und unbeweglich sehen wir Larven von Käfern. Wir haben die natürlich wieder zugedeckt! Von welchem Käfer die waren, kann man nur ungefähr sagen, denn einige lassen sich am besten anhand ihrer Fortbewegungsart bestimmen.
https://www.youtube.com/watch?v=bdSN-uU13EU&t=194s
Die überwintern da und schlüpfen dann, wenn sie erwachsen sind, als Käfer. Bei manchen von diesen großen Arten dauert das mehrere Jahre. Auch die Larven von Nashornkäfern und Hirschkäfern sehen so aus, es ist also nicht einfach. Also, wir müssen einfach im Sommer nochmal dahin und gucken, ob wir Käfer entdecken! Es gab noch sehr vieles, was wir sahen, und das Beste kam zum Schluss: Wir sahen erst einen Grünspecht und dann zwei Schwarzspechte! Zuerst flog das Männchen über uns hinweg, dann folgte das Weibchen. Leider waren die so schnell nicht zu fotografieren. Wenn man einen Schwarzspecht über sich hinwegfliegen sieht, ist das sowas von eindeutig! Hier der Link zu einem richtig schönen Filmchen: https://www.youtube.com/watch?v=ew8emgAyKuk
Schwarzspechte gibt es nicht so viele, weil sie groß sind und große Reviere haben. Aber wir haben bestimmt nochmal Glück, ich habe schon mehrfach welche sehen dürfen und das immer ganz überraschend =) Und warum hatte ich Rübezahl erwähnt? Weil es dort in der Nähe ein bekanntes Lokal mit diesem Namen gibt. Und jetzt ist erstmal Schluss, auch wenn es noch viel zu berichten gäbe! Ein herzliches Dankeschön an Karsten. Wir kommen bestimmt nochmal wieder!