Wilde Gegensätze
Wilde Tiere in der Stadt
Am 23. April 2022 traf sich ein äußerst übersichtlicher, aber begeisterter Trupp an einem der Eingänge zum Tiergarten mitten in Berlin. Und nur etwas weiter weg ist der Potsdamer Platz mit seinen Hochhäusern, aber kaum ist man hinter den ersten Baumreihen, beginnen die Entspannung und das Entdecken.
Das Thema sollte „Wilde Tiere in der Stadt“ sein und wir fragten uns zuerst, ob wir auf Löwen und Tiger stoßen würden….Haha, natürlich sind wir ja alles erfahrene Naturgucker*innen. Die Aufzählung beinhaltete also sehr richtig Wildschweine, Füchse, Nebelkrähen, Biber, Eichhörnchen, Insekten, Vögel…
Im Tiergarten gibt es einen großen Wasserlauf, der sich durch den Park zieht. Mit etwas Glück und Zeit kann man dort tatsächlich den Biber beobachten, der sich dort etabliert hat. Und es gibt Eisvögel. Beides haben wir nicht entdeckt, aber wir sahen und hörten gleich ganz viele verschiedene Vogelarten, die zum Teil gerade erst in den letzten Tagen aus dem Süden zurückgekommen waren:
- Mönchsgrasmücken
- Gartenrotschwanz – ein Männchen im Prachtkleid
- Singdrossel – Geschlechter nicht zu unterscheiden
- Zilpzalp (einer von denen, die ihren Namen singen.
Sowie einige Arten, die den Winter hier verbracht hatten:
- Rotkehlchen
- Buchfink – hier ein Männchen im Prachtkleid
- Amsel
- Haussperling
- Kohlmeise
- Blaumeise – die Geschlechter nicht zu unterscheiden.
- Kleiber – Geschlechter nicht zu unterscheiden, er kann kopfüber den Baumstamm hinunter-laufen.
- Kolkrabe
- Teichhuhn
- Stockente
Bei den letztgenannten Arten ist es keineswegs sicher, dass es sich bei den Tieren, die wir im Winter hier gesehen haben, um die gleichen Individuen handelt wie die, die jetzt zu sehen sind. Manchmal erfolgt über den Winter auch eine Art Austausch, indem „unsere“ Vögel nach Süden ausweichen und nördlicher wohnende dafür zu uns kommen.
Bei den Stockenten sahen wir ein Pärchen, hier ist der Unterschied zwischen Männchen und Weibchen ganz deutlich zu erkennen. Die Männchen – die Erpel – sind bei allen Enten wesentlich prächtiger gezeichnet, weil sie auf diese Weise die Weibchen von sich überzeugen wollen. Das leuchtende Federkleid erfüllt die gleiche Funktion wie der Gesang der Männchen bei den Singvögeln. Enten singen nicht, sie könnten das nicht mal, wenn sie es wollten, ihre Kehle ist nicht dafür gebaut. Auch Eisvögel können nicht singen, dafür sehen sie prächtig aus. (Dieses Mal haben wir übrigens keinen gesehen…) Bei manchen anderen Arten hingegen kann man die Geschlechter nicht oder kaum unterscheiden.
Stockenten bauen ihre Nester an den Uferrand und das Weibchen brütet alleine, deshalb hat es die Farbe der Erde. Die Enten sitzen unbeweglich auf dem Nest und halten die Eier warm. Wenn die Jungen aus dem Ei schlüpfen, sind sie mit Flaumfedern bedeckt, können laufen, schwimmen, gucken, fressen – alles! Sie wandern sofort alle mit der Mutter zusammen ans nächste Wasser und fressen und schwimmen, sind also sogenannte Nestflüchter.
Anders bei den Singvögeln: Wenn die Eier ausgebrütet sind, schlüpfen die Jungen nackt, blind und vollkommen hilflos. Wenn in dieser Phase den Elterntieren etwas passiert, ist die Brut verloren. Die Jungen müssen längere Zeit gefüttert werden, um zu wachsen. Wenn ihre Flügel mit allen Federn gewachsen sind, üben sie das Fliegen und fliegen dann aus. Sie sind sogenannte Nesthocker.
Übrigens: Wenn die Jungen im Nest futtern, müssen sie das auch alles wieder irgendwie rauslassen. Das gäbe eine dolle Sauerei, wenn die Natur nicht auch dafür eine Lösung gefunden hätte: Die Ausscheidungen der jungen Vögel sind in Hautsäckchen verpackt und werden von den Altvögeln nach dem Füttern aus dem Nest getragen. Also Wegwerfwindeln. =)
Und überlegt mal, wie dunkel es in einer Nisthöhle ist, vor allem, wenn der Altvogel in der Öffnung sitzt und hineinguckt! Deshalb sind der Schnabelrand und der Rachen meist sehr lebhaft gefärbt und oft reflektierend.
Wir konnten noch viele Pflanzen bewundern, weil die Frühblüher noch immer in voller Blüte stehen, und wir bewunderten
- Taubnessel
- Goldnessel
- Wunderlauch
- Buschwindröschen
- Scharbockskraut
- Narzissen
- Knoblauchrauke
aber keine Schneeglöckchen mehr! Die sind fast alle verblüht, die sind ja auch die ersten, die blühen im Frühling.
Diese Pflanzen blühen so früh im Jahr, weil sie nur Licht bekommen, solange die Bäume noch einigermaßen unbelaubt sind. In dieser Zeit müssen sie versuchen, zu blühen, bestäubt zu werden und sich zu vermehren. Nach dem Laubaustrieb ziehen sie sich in ihre Speicherorgane im Boden zurück. Jetzt gucken auch schon die Maiglöckchen weit aus dem Boden. Hier muss man ein bisschen aufpassen, denn die sehen dem sehr leckeren Bärlauch sehr ähnlich, sind allerdings in allen Teilen giftig!
Wir unterhielten uns über die verschiedenen Formen der Blüten, verglichen Buschwindröschen und Goldnessel. Die erstere gehört zu den Hahnenfußgewächsen und hat eine sternenförmige Blüte, in der Pollen offen zugänglich ist. Die Goldnessel sieht ganz anders aus, sie gehört zur Gruppe der Lippenblütler. Das eine ganz andere Art, Insekten zu locken, die nach dem Nektar angeln und dabei Pollen aufnehmen und dann wieder abstreifen an der nächsten Pflanze. Die Insekten müssen einen längeren Rüssel haben, wie die Hummeln, um an den Nektar zu kommen. Die Unterlippe dient als Sitz.
Übrigens gibt es den sogenannten „Nektarraub“: eigentlich bekommen die Insekten ja den Nektar als Anreiz und Belohnung für die Bestäubung. Aber einige Tiere (einige Hummeln, Ameisen, Bienen und Kolibris) stechen einfach ein Loch in die Seite der Blüte und saugen den Nektar da raus! Interessanterweise kann dieses Verhalten die „Fitness“ der Blumen positiv beeinflussen, weil die echten Bestäuber nun mehrere verschiedene Pflanzen besuchen müssen, um genug Nektar zu bekommen. Damit kommt es zur Befruchtung verschiedener und eventuell weiter entfernter Exemplare.
Einige Schmetterlinge fliegen bereits durch die Gegend, das sind aber alles Arten, die entweder überwintert haben oder gezogen sind (wie Vögel). Überwintern können Schmetterlinge bei uns in geschützten Ecken oder im Boden. Der Zitronenfalter hat dazu noch einen Trick entwickelt: Sein Körper enthält spezielle Substanzen als Frostschutzmittel. Deshalb kann er völlig ungeschützt überwintern. Ziehen tun zum Beispiel der Admiral und der Distelfalter.
Als Falter überwintert auch der C-Falter, den wir im Tiergarten sehen durften. Er ist ein sogenannter Mehr-Generationen-Falter, es wird also eine zweite Generation noch in diesem Jahr geben. Diese Falter sehen dann etwas anders aus. Der Name C-Falter kommt vom hellen „C“, das man auf der Unterseite erkennen kann. Der Falter ist aber auch ziemlich eindeutig durch die „ausgefransten“ Flügelränder.
Wir sahen auch einige Weißlinge fliegen, aber alle Insekten sind meist zu schnell, um sie gut zu beobachten oder gar zu fotografieren. Es handelt sich einfach um weiße Schmetterlinge, die unter dieser Bezeichnung zusammengefasst werden, genau wie die Bläulinge.
Für die Insektenbestimmung empfehle ich im Übrigen den Insektentrainer.
Wir gingen auf schmalen Wegen, beobachteten Kleiber beim Klettern kopfunter, Haussperlinge beim Sammeln von Nistmaterial und Zaunkönige beim Schmettern ihrer Strophen.
Am Farn besprachen wir kurz, dass dieser zu den Sporenpflanzen gehört, im Gegensatz zu den Samenpflanzen. Bei Letzteren werden Samen gebildet, die dann bei richtigem Umfeld keimen und neue Pflanzen hervorbringen. Sie müssen vor der Samenbildung Blüten entwickeln. Diese werden befruchtet und können dann den Samen bilden.
Die Sporenpflanzen haben als Verbreitungsorgan Sporen, das sind sozusagen schon kleine Pflanzen, die nur noch nicht so weit entwickelt sind. Die Vermehrung erfolgt also asexuell, eine Befruchtung findet nicht statt. Sporenbildung gibt es auch bei Pilzen, Algen und Moosen.
Und dann sang sie tatsächlich: Die Nachtigall! Nur kurz, aber keine Angst, der Gesang begleitet uns die nächsten ein bis zwei Monate! Die sind gerade erst in Berlin angekommen.
Dann hoppelte doch tatsächlich ein Wildkaninchen über den Weg und wir konnten es eine Zeitlang beobachten! Wenn du Kaninchen und Hase betrachtest, siehst du die Unterschiede: Kaninchen sind klein und gedrungen, während es sich bei Hasen um merklich größere, schlanke Tiere handelt. Hasen haben längere Ohren als Kaninchen. Auch die Beine sind länger und zudem muskulöser.
Kaninchen leben in großen Verbänden in Höhlensystemen unter der Erde, Hasen alleine auf dem Feld. Kaninchenjunge sind Nesthocker (aha! Siehe oben!), Hasen sind Nestflüchter.
Feldhasen (so heißen sie genau) legen ihre Jungen in einer Kuhle auf dem Feld ab, wo sie unbeweglich (und geruchlos) warten, bis die Mutter kommt und sie säugt. Das passiert etwa zweimal am Tag.
Interessanterweise sind im Westen von Berlin mehr die Wildkaninchen zu Hause und im Osten die Feldhasen. Dies liegt an der unterschiedlichen Struktur der beiden Teile.
Der Tiergarten ist im Übrigen im letzten Jahrhundert fast vollständig abgeholzt worden, weil die Menschen das Holz zum Heizen brauchten, das war nach dem zweiten Weltkrieg. Auf den dann freien Flächen wurde Gemüse angepflanzt. Jetzt ist diese große Fläche der zweitgrößte Park Berlin, gleich hinter dem Tempelhofer Feld, auf dem wir ja auch schon waren.
Bis zum nächsten Mal!