Eine göttliche Überraschung
Berlin, 14.09. - Fast alle Bezirksgruppen pflegen regelmäßig Gebiete mit besonderer Bedeutung für die dortige Tier- und Pflanzenwelt. Wer wann wo arbeitet, kann den Seiten des NABU entnommen werden. Alle Gruppen freuen sich über helfende Hände!
Wir trafen uns hier am Eingang zum Schöneberger Südgelände am S-Bahnhof Priesterweg. Das Gebiet ist ein ehemaliger Rangierbahnhof, wurde 1999 zum NSG erklärt und seitdem treffen sich – wie es so treffend heißt – dort Technik, Natur und Kultur. Wir hatten dann den Auftrag den dort schnell aufwachsenden Rainfarn mit Stumpf und Stiel zu entfernen. Gegen den Rainfarn an sich spricht ja nichts, er ist durchaus vielfältig nutzbar. Aber er ist auch eine schnell wachsende und ausdauernde Pflanze und würde schnell das ganze Gebiet überwuchern. Damit wäre dann der Raum für einige Spezialisten unter den Tieren und Pflanzen verloren. Dazu gehören die Heuschrecken, Eidechsen und die Gottesanbeterin (Mantis Religiosa). Unter der Pflanze wäre zu wenig Licht und damit Wärme, was diese Tiere in hohem Maße brauchen.
Bevor wir überhaupt anfingen, ward schon die erste Zauneidechse gesichtet. Das war schon mal sehr aufregend! Hier versammelten sich einige Helfer zum Eidechsensuchen an einer Schwedischen Mehlbeere, was ein Baum ist. Die durfte zum Glück stehenbleiben, puh… Zur Pause wurde dann besprochen, woran man eigentlich ein Insekt erkennt, und woran man festmacht, dass es sich nicht um ein Spinnentier handelt. Zu letzteren gehören außer den bekannten Spinnen auch zum Beispiel die Skorpione und Zecken.
Insekten haben 3 Körperabschnitte und 6 Beine,
Spinnen haben 2 Körperabschnitte und 8 Beine. Das kann man sich doch gut merken, oder?
Wir konnten das an zwei Tieren üben, die in Becherlupen gefangen und dann wieder frei gelassen wurden: einem Vertreter aus der Familie der Kurzflügler (Staphylinidae), eventuell der Schwarze Moderkäfer und an einer Schaumzikade. Die Larven dieser Insekten leben eingehüllt in einem Schaumnest an Stängeln und Blättern, das „Kuckucksspeichel“ genannt wird. Dann mussten wir zurück, wir hatten ja ein ganzes Stückchen zu laufen. Aber so schnell ging das dann nicht, denn es passierte das Tollste überhaupt: Einem Mädchen flog etwas auf die Hand und von dort auf die Seite, wo wir schnell erkannten, worum es sich handelte: eine Europäische Gottesanbeterin (Mantis Religiosa)!!! Das war eine Aufregung!
Die ersten Tiere wurden wahrscheinlich durch den Bahnverkehr eingeschleppt, denn eigentlich leben sie viel weiter im Süden, so bis ins südöstliche Polen. Die Art hat ihr Verbreitungsareal in Mitteleuropa seit Beginn der 1990er Jahre deutlich vergrößert und breitet sich auch weiter aus. Seit 1998 ist das Vorkommen hier im Südgelände bekannt, sie pflanzen sich erfolgreich fort. Ursprünglich kommt die Art übrigens aus Afrika. Die Gottesanbeterin gehört zu den Fangschrecken und ist die einzige ihrer Art in Mitteleuropa. Ihren Namen hat sie davon, dass sie ihre - dornenbewehrten – Fangbeine während der Nahrungssuche angewinkelt nach oben hält, was wie eine anbetende Pose aussieht. Vor oder nach der Paarung verspeist das Weibchen übrigens oft das Männchen... Aber meistens geht die Paarung ohne Schaden vor sich, keine Angst.
Dagegen waren die Trichter der Ameisenlöwen gleich in der Nähe des Eingangs ganz uninteressant. Dabei spielen sich darin auch ganze Dramen ab! Der sogenannte Ameisenlöwe ist die Larve der Ameisenjungfer. Er gräbt sich in lockerem Sand (an offenen, sonnenbeschienenen Flächen) einen Trichter, der im Übrigen auch gleich als Sonnenschutz dient. Wenn ein Insekt (Ameise) in den Trichter fällt, kommt es nicht mehr gut hinaus (versucht mal eine Sanddüne schnell hinaufzuklettern!). Der Ameisenlöwe wirft außerdem von unten Sand auf seine Beute, so dass sie immer weiter hinunterrutscht. Und dann – tja, dann frisst er sie.
Jetzt sind wir alle froh, dass wir nicht als Insekten geboren wurden! Ein wirklich aufregender Ausflug!
Text: Christine Kuhnert
Video: Katja Beier