Die Mispel
Vergessene Frucht
Schon mal Mispeln probiert? Gemeint sind hier nicht die gelben Früchte der Wollmispel (Eriobotrya japonica), die es gelegentlich am türkischen Gemüsestand gibt, sondern die Echten Mispeln (Mespilus germanica). Diese Früchte, die wie kleine Äpfel mit überdimensionalem Kelchblättern aussehen, waren einst ein wichtiger Bestandteil der mittelalterlichen Kost. Damals wurden sie in Obstgärten angepflanzt, und es entstanden etliche Kultursorten. Heute ist dieses Obst weitgehend in Vergessenheit geraten, weil es den Ansprüchen der Konsumgesellschaft nicht gerecht wird.
Denn in eine Mispel kann man nicht so einfach hineinbeißen wie in einen Apfel. Sie lässt sich zwar in reifem Zustand durchaus roh verzehren, enthält aber vergleichsweise wenig Fruchtfleisch und sehr viel Kern. So richtig gibt sie ihr außergewöhnliches, ein wenig an Karamell erinnerndes Aroma ohnehin erst nach dem Verarbeiten preis: Marmelade, Kompott oder Gelee aus Mispeln sind ein ganz besonderes Geschmackserlebnis.
Nicht ganz einfach ist es auch, den richtigen Erntezeitpunkt zu erwischen. Im Herbst sind die Früchte noch hart, geschmacklos und hinterlassen ein pelziges Gefühl auf der Zunge. Ähnlich wie Schlehen schmecken sie erst nach den ersten Frösten, je nach Wetterlage also im November oder Dezember. Man erntet sie tendenziell überreif, wenn die Schale bereits dunkle Flecken aufweist.
Auf dem Markt findet man Mispeln eher selten. Es lohnt sich daher, im Garten einen eigenen Mispelbaum zu pflanzen, zumal es sich um ein sehr attraktives Gehölz handelt. Die Mispel wird selten höher als fünf Meter, benötigt also nicht viel Platz, wächst aber zu einem dekorativen, knorrigen Bäumchen mit schirmförmiger Krone heran. Im späten Frühling trägt sie weiße Blüten, die ihre Zugehörigkeit zu den Rosengewächsen verraten und die – im Gegensatz zu den Früchten – deutlich größer ausfallen als beim Apfel. Wie andere Obstbäume bietet auch die Mispel einer Vielfalt von Insekten, Vögeln und Kleinsäugern Nahrung und eignet sich deshalb perfekt für den Naturgarten.
Anders als ihr botanischer Name nahelegt, handelt es sich bei der Mispel allerdings nicht um ein urgermanisches Gewächs. Sie stammt vermutlich aus Vorderasien und wurde von der Römern nach Mitteleuropa gebracht. Über die Jahrhunderte hat sie in wärmeren Teilen Deutschlands den Sprung über den Gartenzaun geschafft und kommt nun stellenweise wild in lichten Laubmischwäldern, Gebüschen und Hecken vor.