21. April vormittags ...
Turmfalken vor der Kamera 2016
Kommentare zum Geschehen von Katrin Koch
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15. April 2016
Gleich zwei komfortable, künstliche Niststätten wurden in die Giebel der Klinik eingebaut, wofür sich die männlichen Vögel im zeitigen Frühjahr zunehmend interessieren.
Der Kasten hat eine Größe von etwa einem halben Meter im Quadrat und wurde mit frischem Sand versehen – ein sehr attraktiver, wind- und wettergeschützter Platz.
Und so beginnt das Männchen mit lauten Rufen auf sich aufmerksam zu machen und Weibchen anzulocken, um ihnen den Nistkasten zu zeigen. In unserem Falle scheinen seine Bemühungen erfolgreich zu sein. Immer häufiger besucht auch ein Weibchen den Kasten.
Gleichzeitig muss der Kasten vor Rivalen gesichert werden.
Mitte April beginnt alljährlich das Brutgeschäft der Turmfalken.
Ein Weibchen, dass den Nistkasten für sich beansprucht wird vom Männchen mit Nahrung versorgt, ein Verhalten, welches zum Balzritual gehört.
Ist es zunächst Er, der das Weibchen mit Lockrufen „verführte“, beginnt später Sie zu locken, jedes Mal wenn „ihr“ Männchen sich dem Brutplatz nähert. Sie bettelt wie ein Jungtier um Futter oder fordert zur Paarung auf.
Das „Nest“
Der Trieb ein Nest zu bauen - wie es viele andere Vögel tun indem sie Äste, Zweige, feines Reisig, Moos oder weiche Pflanzenfasern zusammentragen – fehlt den Falken.
Sie nutzen als Felsbrüter Höhlungen, Simse oder Nischen, als Baumbrüter die soliden Nester von Krähenvögeln, Reihern oder anderen Greifvögeln. Die dicht bebaute Stadt ist für Turmfalken – wie auch andere Vögel (z.B. Mauersegler) - eine künstliche Felslandschaft, wo sie in Mauerausbrüchen, defekten Dachkästen, Rüstlöchern, Turmaufbauten und ähnlichen Strukturen ihre Jungen groß ziehen.
Um die fast kreisrunden Eier zusammen halten zu können, muss jedoch für eine Nestmulde etwas Substrat vorhanden sein - wie vom Wind zusammengewehter Sand, Schutt oder Pflanzenreste. Das ist u.U. in manchen Nischen ein Problem, wenn zu wenig davon vorhanden ist und die Eier bei der Brutablösung herausrollen. Krähennester bieten da schon bessere Voraussetzungen - haben aber einen anderen Nachteil: sie sind Wettereinflüssen deutlich stärker ausgesetzt.
Immer wieder sind jetzt die beiden Vögel im Kasten - dem Weibchen werden Mäuse „angeboten“, das Paar kommuniziert über unterschiedliche Rufe miteinander.
Das Scharren im Sand häuft sich! Wenn die Nestmulde hergerichtet wird, ist bald mit der Eiablage zu rechnen.
19. April - Das erste Ei ist da - Die Eiablage beginnt
Seit dem Wochenende saß das Weibchen oft im Kasteneingang oder war im Nistkasten. Eine flache Vertiefung, die von den Vögeln in den Sand gescharrt wurde, deutete darauf hin, dass demnächst mit der Eiablage zu rechnen war.
Am Vormittag des 19. April 2016 war es dann soweit - das Weibchen legte das erste Ei in die Nestmulde.
Es wird von Beginn an bebrütet. Das Weibchen bedeckt das Ei mit dem Bauchgefieder. Ein federloser Bereich - der sogenannten Brutfleck- ermöglicht dabei den Direktkontakt des Eis mit der Haut des Weibchens.
Im Abstand von 1 bis 2 Tagen werden weitere Eier folgen.
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... das zweite Ei ist da.
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Fotos: NABU Berlin
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Am 23. April vormittags - das dritte Ei.
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Das vierte Ei am 25. April - ebenfalls vormittags.
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Auch das Turmfalken- männchen übernimmt gelegentlich das Brutgeschäft.
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Turmfalkenmännchen mit vier Eiern.
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Am 28. April liegt das 5. Ei. Hier nochmals das Männchen. - Foto: NABU Berlin
3. Mai - Die vierwöchige Brutzeit hat begonnen
Das Gelege ist vollständig, unsere Falkendame hat es bei fünf Eiern belassen. Ein weiteres Ei kam nicht hinzu, sodass nun die etwa vierwöchige Brutzeit beginnt. Die Nestmulde blieb bisher an Ort und Stelle und in Sichtweite der Kamera.
Ein komplettes Gelege besteht aus 4 bis 6, maximal 7 Eiern, Berliner Durchschnitt sind 5 Eier (Stefan Kupko, NABU-AG Greifvogelschutz Berlin & Bernau, Turmfalkenmonitoring).
Im Uterus wurden sie mit einer festen Kalkschale versehen. Dies dauert eine Weile, weshalb die Eier in regelmäßigen Abständen von ein bis zwei Tagen gelegt wurden.
Die schöne Färbung mit rostroten Flecken und Sprenkeln liegt an Blutfarbstoffen, die in die Schale eingelagert werden. Die schützende Kalkschicht ist so aufgebaut, dass durch winzige Poren ein Gasaustausch stattfinden kann – Sauerstoff kann hinein, Kohlendioxid wird nach außen abgegeben.
Die Eier werden regelmäßig gewendet – dies wird mit Schnabel und Füßen gemacht. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, Substrat in künstliche Nistkästen einzubringen. Ohne die kleine Mulde würden die Eier bei dieser Prozedur schnell auseinander rollen und das Weibchen hätte Mühe, sie zusammen zu halten.
Die Eier benötigen die Körperwärme der brütenden Falken, damit sich die befruchteten Eizellen entwickeln können. Federn isolieren bekanntermaßen hervorragend und sind ein schlechter Wärmeleiter. Deshalb vollzieht sich in der Brutzeit an der Unterbrust und am Bauch der Vögel eine Teilmauser – der sogenannte Brutfleck entsteht. Die Eier kommen nun direkt mit der nackten Haut in Berührung. Das Gefieder schirmt das Gelege seitlich ab und die Temperatur von etwa 38°C kann weitgehend konstant gehalten werden.
Kommt es zu Störungen am Brutplatz, geht einer der Altvögel zugrunde oder funktioniert die Kommunikation des Brutpaares untereinander nicht, kann das Brutgeschäft unterbrochen werden. Ein damit einhergehender, längere Zeit anhaltender Temperaturrückgang kann die Entwicklung der Embryos stoppen und sie abtöten.
Die Brutablösung
Unser Paar harmoniert sehr gut. Die Brutablösungen funktionieren perfekt. Über laute und spezielle Rufe kommuniziert das Paar miteinander. Bevor ein Vogel im Kasteneingang erscheint, macht er sich bereits bemerkbar.
In den Brutpausen frisst das Weibchen die vom Partner gebrachte Nahrung, putzt sich und setzt Kot ab. Dann übernimmt sie wieder das Brutgeschäft.
19. Mai - Das Turmfalkenpaar
Die kalten Pfingsttage sind „überstanden“, unter dem wärmenden Gefieder und dem Brutfleck der Turmfalken bleibt die Temperatur weitgehend konstant, sodass sich die Embryonen in den 5 Eiern weiter entwickeln können. Das Elternpaar harmoniert perfekt miteinander.
Sehr gut kann man per Webcam die unterschiedliche Größe und Gefiederfärbung der Falken unterscheiden:
Das Weibchen hat auf dem rostroten Rücken- und Flügelgefieder dunkle Querstreifen, der Schwanz ist quergebändert, der Kopf längs gestrichelt. Sie ist etwa ein Drittel größer und schwerer als ihr Partner.
Das Männchen ist kräftiger rostrot gefärbt mit dunklen Punkten auf Rücken und Flügeln, Schwanz und Kopf sind einfarbig grau.
Unterbauch und Brustgefieder ist bei beiden Geschlechtern hellbeige mit dunkler Längs- Strichelung, ebenso haben beide eine dunkle Schwanzendbinde.
Wie alle Falken verfügen auch Turmfalken über einen hervorragenden Gesichtssinn mit großen, leistungsfähigen Augen. Hauptbeute sind Kleinsäuger und Kleinvögel.
Im Moment jagt allein das Männchen und versorgt seine Partnerin und sich selbst mit Futter. Das Weibchen wird sich erst viel später am Beutefang beteiligen. Ihm obliegt auch die Sicherung des Brutplatzes gegen Eindringlinge und Feinde.
22. Mai - Am Nachmittag der erste Jungvogel
Große Freude beim Klinik- und NABU-Team: der Schlupf der Turmfalken hat begonnen!
Nach 34 Tagen ist am 22. Mai das erste Küken geschlüpft, heute, am 23. Mai das zweite!
Nun werden in den nächsten Tagen hoffentlich alle weiteren 3 Eier folgen. An einem ist bereits ein kleines Loch zu erkennen.
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Eine geborstene Eierschale und ein weißes Knäuel - der erste Jungvogel ist geschlüpft. - Foto: NABU Berlin
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Am 23. Mai sind es schon zwei Junge - hier bei der Fütterung. - Foto: NABU Berlin
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Das Turmfalkenweibchen wärmt die Jungen. Ein weiteres Ei hat schon ein Loch. - Foto: NABU Berlin
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Turmfalkenmännchen mit Jungen - Foto: NABU Berlin
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23. Mai mittags: Drei Turmfalkenjunge sind geschlüpft. - Foto: NABU Berlin
Der Schlupf
Bereits einige Tage vor dem Schlüpfen machen sich die Küken durch Lautäußerungen im Ei bemerkbar. So erkennen die Falken bereits in dieser Zeit die Stimmen ihrer Jungen, die Bindung wird gefestigt und sie können sogar heraushören, ob es ihnen gut geht.
Vor dem Schlupf dreht der Embryo seinen Kopf in Richtung der Luftkammer. Mit dem sogenannten Eizahn, einem kleinen weißen Huckel auf dem Oberschnabel, werden die Schalenhaut sowie die Kalkschale angebrochen. Der Schlupf ist ein enormer Kraftakt, bei dem die Winzlinge mehrere Löcher in die Eischale picken, sich gegen die Schale stemmen, drehen und winden müssen, bis sie es endlich geschafft haben, dass das Eiende sich öffnet. Die Altvögel helfen gelegentlich ihren Küken beim Öffnen der Schale. Der Eizahn fällt nach einigen Tagen ab. Die noch nassen Jungen
trockenen schnell, ihr erstes Dunenkleid ist schneeweiß.
Die Elternvögel müssen die Kleinen noch unter ihrem Gefieder „hudern“, das weiße zarte Daunenkleid kann die Jungen noch nicht so gut wärmen.
Nun können wir täglich das weitere Schlüpfen, Wachsen und Gedeihen der Küken verfolgen und es ist nach der eher ruhigen Brutzeit mit deutlich mehr „Action“ im Nistkasten zu rechnen.
31. Mai - Aus einem Ei schlüpfte nichts
Eines der 5 Eier war möglicherweise unbefruchtet, der Embryo hat sich nicht entwickelt oder es gab andere Komplikationen. Es kommt öfter vor, dass nicht aus allen Eiern Jungvögel schlüpfen. Jedenfalls bleibt es bei vier Jungen, die sich bisher gut entwickeln.
Nahrungsdepot
Im Nistkasten ist gelegentlich unzerteilte Nahrung zu sehen- z.B. eine Maus oder Kleinvögel. Das Weibchen kann auf dieses Depot zurückgreifen, wenn ihr Partner einmal weniger erfolgreich nach Beute jagt.
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In der hinteren Ecke liegt ein Haussperling als Nahrungsreserve. - Foto: NABU Berlin
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Bevor gefüttert wird, werden alle größeren Federn „gerupft“. Im Nistkasten liegen bereits entsprechend viele Federn von den Beutevögeln. - Foto: NABU Berlin
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Die Jungen stellen sich „brav“ an - jeder bekommt seinen Teil der noch kleinen Nahrungsbröckchen vorgehalten. Dabei ist der Größenunterschied der Jungfalken bereits zu erkennen. - Foto: NABU Berlin
9. Juni 2016 - Die Beringung - Personalausweis für unsere Jungfalken
Am Vormittag wurden die vier Jungfalken gewogen, vermessen, und beringt. André Hallau, Leiter unserer Wildvogelschutzstation im Wuhletal legte je einen leichten Aluminiumring der Vogelwarte Radolfzell um den rechten Fuß der Vögel. Diese Ringe sind mit einem Buchstaben- und Zahlencode versehen. Ähnlich unserem Personalausweis kann der Vogel darüber bei einem Wiederfund genau zugeordnet werden.
Die wissenschaftliche Vogelberingung hat wesentlich dazu beigetragen, Erkenntnisse über Vögel und ihre Populationen zu gewinnen. Wenn beringte Vögel an zugänglichen Nistplätzen beobachtet oder verletzte oder tote Vögel gefunden werden, können anhand der Kennringe Aussagen über Herkunft oder Alter getroffen werden. Bestandssituation, Reproduktionsdaten, Ermittlung der Kondition, Erforschung von Migration und Verbreitung, erreichte Höchstalter von Einzelindividuen - ohne die Datenerfassung und individuelle Kennzeichnung von Vögeln wären wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht möglich.
Beringen, Wiegen und Messen …
Und so heißen unsere Falken nun: GN 91905, GN 91906.... bis GN 91908.
Das Nesthäkchen wiegt 204 Gramm, seine größte Schwester bringt 251 Gramm auf die Waage. Damit haben sie noch längst nicht das Gewicht ihrer Eltern erreicht, sind jedoch für ihr Alter in allerbester Verfassung.
Um das genaue Alter der Vögel abzuleiten, wird eine bestimmte
Feder an den Handschwingen der Falken vermessen – eine gängige Methode bei Jungvögeln, deren Schlupf nicht so komfortabel per Kameraübertragung beobachtet werden kann, wie in unserem Fall in der Park-Klinik Weißensee.
Inzwischen sind die Jungen nicht nur deutlich gewachsen, sie haben auch ihr anfangs weißes Dunenkleid gegen ein graues getauscht. Und nun beginnt bereits das Federwachstum. Deutlich sind die bläulich schimmernden, stark durchbluteten Hülsen zu sehen, aus denen sich die Federn immer weiter herausschieben.
…und Freuen
MitarbeiterInnen der Park-Klinik Weißensee waren bei der Beringung dabei und bewunderten ihre etwas verschüchterten Falken ganz aus der Nähe. Diese ließen die Untersuchungen geduldig über sich ergehen und wurden nach der Prozedur wieder zurück in ihren Nistkasten gesetzt.
Bereits nach kurzer Zeit erschienen beide Altvögel am Brutplatz und das Weibchen flog in den Kasten zu ihren Jungen.
Und eine Mitteilung an die Presse gibt es auch ...
10. Juni 2016 - Vier Turmfalken-Küken aus einem Nistkasten in der Park-Klinik Weißensee wurden mit Ringen der Vogelwarte Radolfzell versehen. Die Experten des NABU Berlin erläuterten den Hintergrund und Erfolge der wissenschaftlichen Vogelberingung. Mehr →
24. Juni 2016 - Teenagerzeit und Erwachsenwerden
Mit zunehmendem Alter wird die Welt außerhalb des Nistkastens interessanter für unsere „Teenies“. Und hier zeigen sich die Vorteile der geräumigen Nistkästen, die der NABU den Turmfalken anbietet.
Natürliche Brutplätze – wie Mauer- und Fensternischen, Rüstlöcher, Lüftungsöffnungen u. ä. – können recht eng und das Gedrängel darin groß sein. So kommt es öfter zu Unfällen wenn neugierige oder hungrige Jungvögel, die dem mit Beute ankommendem Elterntier zu heftig entgegen drängen, herausfallen und abstürzen.
Trotz der Geräumigkeit platzt der Nistkasten aus allen Nähten, wenn die Falken ihre „Flugübungen“ machen. Werden die Flügel ausgebreitet, kann man gut erkennen, dass die Schwungfedern der Ältesten bereits fast ausgewachsen sind. Abstürze sind in dieser Zeit nicht mehr lebensgefährlich. Die ersten Flugversuche finden bereits außerhalb des Kastens statt.
Im Weißenseer Klinikgelände, den nahe gelegenen großen Friedhöfen und den umliegenden Wohnvierteln finden unsere Jungfalken gute Sitzwarten auf Gebäuden, Bäumen, Vorsprüngen oder auf dem Dach der Klinik. Die Nacht verbringen sie jedoch noch im Kasten.
Kurz vor dem Start
Die jungen Falken können längst nicht so geschickt fliegen wie ihre Eltern, aber: Übung macht den Meister. Das Federwachstum ist nun bald abgeschlossen, nach weiterem Flugtraining zur Kräftigung der Flugmuskulatur werden sie perfekte Flieger sein.
Nun gilt es, laut zu rufen, um die Aufmerksamkeit der Eltern zu erregen, die sich nach wie vor um ihre Jungen kümmern und sie mit Beute versorgen. Wer kann, fliegt den Eltern entgegen und nimmt ihnen die Beute ab. Noch gibt es die von den Altvögeln erjagte Beute – mehrere Spatzen liegen als Nahrungsdepot im Kasten.
Die ersten Tage nach dem Ausfliegen sind nicht ohne Risiko für die Jungfalken. Nur wer bei guter Kondition bleibt, das heißt, genug Nahrung erbetteln kann, wer sich bei der Annäherung von Feinden richtig verhält und wer „unfallfrei“ und gut fliegt, wird den nächsten schwierigen Lebensabschnitt, das Selbstständigwerden, erleben.
Pressemitteilung
24. Juni 2016 - Die vier Turmfalken-Teenager in der Park-Klinik Weißensee können inzwischen fliegen und kommen nur noch zum Fressen und Schlafen in den Nistkasten. Ob sie das nächste Jahr überleben, hängt auch vom Nahrungsangebot ab, das durch Bebauung abnimmt. Mehr →