Die Gemeine Wespe
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Merkmale
Die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris) zählt wie die Deutsche Wespe zu einer der in Deutschland und Mitteleuropa am häufigsten vertretenen Wespenarten. Sie ist eine typische Kurzkopfwespe mit eher rundem Kopf ohne Abstand zwischen Augenunterkante und Kieferzangenansatz. Als Vertreter der Faltenwespen (Vespidae) ist Vespula vulgaris in der Lage, ihre Flügel in Ruhelage in Längsrichtung zusammenzufalten.
Mit einer Körperlänge von bis zu 20 Millimetern fallen die Königinnen deutlich größer aus als die nur 10 bis 14 Millimeter messenden Arbeiterinnen und die 13 bis 17 Millimetergrund eines fehlenden Widerhakens und eines kräftigeren, muskulöseren Stechapparats nach dem Stich wieder herausziehen und erneut einsetzen. Eine Wespe stirbt daher im Gegensatz zur Biene nicht nach dem Zustechen. Da der Vorgang des Stechens durch einen Reflex ausgelöst wird, können innerhalb eines gewissen Zeitraums nach dem Tod auch bereits verendete oder gar zerteilte Wespen noch Gift aus dem Stachel pressen.
Neben der für die meisten Wespen typischen schwarzgelben Färbung besitzt die Art eine charakteristische nach unten hin verdickte, ankerförmige schwarze Zeichnung am ansonsten gelben Kopfschild sowie zwei gelbe Flecken an der Schläfenpartie hinter den Augen. Diese Zeichnung macht sie sicher differenzierbar von der ihr verwandten, äußerlich sowie in der Lebensweise sehr ähnlichen Deutschen Wespe (Vespula germanica), welche an der Stirnplatte anstelle des Striches schwarze Punkte aufweist. Da die schwarzgelbe Ringelung des Hinterleibs der Schwesternarten von Individuum zu Individuum sehr unterschiedlich ausfallen kann, gibt diese keinen Anhaltspunkt für eine sichere Unterscheidung.
Verbreitung
Mit Ausnahme des äußersten Nordens ist Vespula vulgaris ursprünglich in ganz Europa und den gemäßigten Breiten Asiens bis nach Korea, Japan und den Kurilen im Osten beheimatet. Durch den Menschen wurde sie jedoch als gebietsfremde Art inzwischen auch nach Südamerika und auf Island, Australien, Tasmanien und Neuseeland eingeführt. Näheres hierzu finden sie im Artenporträt der Deutschen Wespe im Abschnitt „Exkurs: Die Deutsche Wespe als invasive Art“.
Lebensraum
Die Gemeine Wespe ist sowohl in der Stadt als auch auf dem Land überall anzutreffen und gilt bei ihrer Nistplatzwahl als sehr flexible und anpassungsfähige Art. Als Dunkelhöhlenbrüter bevorzugt sie ähnlich wie ihre Schwesternart geschützte, warme, enge und dunkle Hohlräume. Diese findet sie häufig verborgen im Erdboden in Form von beispielweise Mäuse- oder Maulwurfsbauten, aber auch in- oder an Gebäuden in Nischen und Zwischenräumen, hinter Verschalungen und Rollladenkästen, unter Dächern und auf Dachböden. Bei Platzbedarf werden die Nester gelegentlich in den geschützten Außenbereich hinaus erweitert und sind dann in der Formgebung sehr variabel. In nur sehr seltenen Fällen nistet die Art in frei- und offenhängenden Nestern.
Vorkommen und Lebensweise
Wie bei staatenbildenden sozialen Hymenopterenarten üblich ist das Zusammenleben innerhalb der gesamten Kolonie arbeitsteilig organisiert, indem die einzelnen Individuen bestimmte Aufgaben wahrnehmen. Hierzu zählen Nestbau, Larvenfütterung, Zellensäuberung, Nahrungsbeschaffung und Versorgung der Wespenkönigin.
Die in der Regel einjährig bestehenden Staaten der Gemeinen Wespe entstehen meist ab Mitte April mit der Nestgründung durch die bereits im Vorjahr begattete und nun aus der Winterruhe zurückkehrende Königin. Hierzu errichtet sie allein aus fein zerkauten und eingespeichelten Holzfasern eine kugelförmige Nesthülle mit insgesamt sieben Brutzellen. Das verwendete Baumaterial besteht vorzugsweise aus dem Holz verrottender und morscher Äste oder Bäume und verleiht den Nestern, im Gegensatz zu den grau gefärbten Nestern der Deutschen Wespe, die oberflächlich verwittertes Holz verwendet, ein eher beigebraunes bzw. ockerfarbenes Aussehen.
In diesem Anfangsnest zieht die Königin die erste Generation von Arbeiterinnen auf, indem sie zunächst Eier in die Brutzellen legt und mit Spermien aus der Samentasche befruchtet. Aus diesen Eiern entsteht ab ungefähr Ende Mai die erste Generation von Arbeiterinnen. Während sich diese Arbeiterinnen nun um die weiteren Nestbau-, Pflege- und Versorgungsarbeiten kümmern und das Nest stetig durch mehrere Ebenen Brutwaben erweitern, kann sich die Königin fortan ausschließlich der Fortpflanzung widmen. Die Volksstärke sowie die Größe des Nestes nimmt nun rasch zu und erreicht gegen Ende August mit bis zu 12.000 Tieren und Nestern mit bis zu 12 Wabenetagen bei Durchmessern von über 80 Zentimetern ihren Höhepunkt. Etwa zeitgleich mit Erreichen dieser maximalen Volksgröße schlüpfen schließlich auch die ersten Jungköniginnen und Drohnen, so dass es kurz später zur Paarung der Geschlechtstiere kommen kann.
Nachdem die Königin, mittlerweile bis zu 14 Monate alt, im Spätherbst stirbt, werden keine weiteren Eier mehr produziert und das Wespenvolk beginnt allmählich abzusterben und sich aufzulösen. Nur die begatteten Jungköniginnen werden in einem außerhalb des Nestes gelegenen Schlupfwinkel mit geeignetem Mikroklima den Winter überdauern, um im nächsten Frühjahr an angemessener Stelle erneut einen Wespenstaat zu gründen. Der Zeitpunkt des endgültigen Zusammenbruchs eines Staates ist bedingt durch die jeweilige Nestlage sehr unterschiedlich. So überdauern die meisten Nester bis Ende Oktober oder Anfang November hinein, während solche an frostgeschützten Stellen häufig noch im Dezember aktiv sind. Aus Neuseeland, wo mildere Winter vorherrschen und die Art erst durch den Menschen als Neozoon eingebracht wurde, kennt man sogar mehrjährige Nestzyklen mit mehreren Königinnen.
Das steht auf dem Speiseplan
Die adulten Tiere der Gemeinen Wespe ernähren sich wie bei fast allen Wespenarten üblich vorwiegend von pflanzlicher Kost wie Blütennektar, dem Honigtau der Blattläuse und weiteren kohlenhydrathaltigen Pflanzensäften. Die Wespen fliegen hier in der Regel den Nektar von Pflanzen mit eher flachen und leichter erreichbaren Blüten an. Dies hat den Hintergrund, dass die Mundwerkzeuge recht kurz und wenig spezialisiert und so für tiefere Blüten suboptimal geeignet sind.
Pflanzen wie Braun- und Sumpfwurz (Srophularia nodosa und Epipactis spec), Efeu (Hedera helix), Faulbaum (Frangula alnus), Großes Zweiblatt (Listera ovata), Sand-Thymian (Thymus serpyllum), und einige Doldengewächse (Apiaceae) wie die Süßdolde (Myrrhis odorata) werden häufig von den Wespen frequentiert. Pflanzen, die ihren Nektar ohne bzw. außerhalb der Blüten, beispielsweise in Drüsen an den Stängeln und Blattstielen erzeugen, werden von den Wespen ebenfalls gerne besucht. Hierzu zählen unter anderem der Adlerfarn (Pteridium aquilinum), der Gemeine Schneeball (Viburnum opulus), die Vogel-Kirsche (Prunus avium) oder die Zaun-Wicke (Vicia sepium).
Zur Aufzucht der Larven wird hingegen tierisches Protein benötigt. Verfüttert wird hier neben unterschiedlichen Insekten wie Fliegen (Brachycera) und Stechmücken (Culicidae) auch Aas. Das Fleisch wird der Brut in zerlegtem und zerkautem Zustand als Fleischbrei gereicht.
Insbesondere gegen Ende August, wenn die Wespenstaaten ihre maximale Stärke erreichen, kann die Gemeine Wespe aufgrund ihrer beachtlichen Anzahl an Individuen und durch ihren Appetit auf Fleisch oder süße Lebensmittel durchaus lästig werden. Eine Vorliebe, die sie ansonsten nur mit einer weiteren sozialen Wespe, der Deutschen Wespe, teilt. Diese Vorliebe für Speisen und Getränke des Menschen ist die Ursache für den in der Gesellschaft eher schlechten Ruf der Gemeinen und der Deutschen Wespe. Hinzu kommt, dass sich die beiden vergleichsweise eher friedfertigen Wespenarten durch rasche und heftige Bewegungen des Menschen bedroht fühlen und durch Stiche wehrhaft werden können. Hierbei werden bei jedem Stich Pheromone freigesetzt, die wiederum Artgenossen in Alarmbereitschaft bringen und gegebenenfalls zum Stechen veranlassen.
Ökologischer Nutzen
Leider ist wenig bekannt, dass sowohl die Gemeine als auch die Deutsche Wespe sehr wichtige Funktionen in unseren Ökosystemen übernehmen. So sind sie ein sehr effizienter Pflanzenschützer, der aufgrund beachtlicher Volksgrößen einen enormen Bedarf an tierischem Protein für die Brut benötigt und imstande ist, ausgesprochen große Mengen an pflanzenfressenden Insekten zu fangen. Ein einzelnes Volk erbeutet täglich zwischen 500 und 2000 Gramm Insekten, darunter Blattläuse, Bremsen, Fliegen und Mücken. Darüber hinaus dient die Wespe sowohl als Nahrungsgrundlage für andere Tiere wie Vögel und Spitzmäuse als auch als Aasverwerter für die schnellere Verwertung verwesender Tierkadaver. Auch wenn die in Deutschland beheimateten Wespenarten mit Ausnahme der Honigwespe (Celonites abbreviatus) keine Sammel- und Transportvorrichtungen für Pollen besitzen, bleiben während der Nektaraufnahme beim Blütenbesuch dennoch ausreichend Pollen in den Haaren hängen, um sie darüber hinaus zu einem nützlichen und wichtigen Bestäuber zu machen.
Gefährdung & Schutzstatus
Die Gemeine Wespe ist neben der Deutschen Wespe die häufigste bei uns beheimatete Wespenart und zählt im gesamten Bundesgebiet zu den noch nicht gefährdeten Arten. Im Gegensatz zu anderen Hautflügler-Arten (Bienen, Hummeln, Hornissen) ist sie, wie auch alle anderen Wespenarten, in Deutschland nicht nach der Bundesartenschutzverordnung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) besonders geschützt. Nach §39 des BNatSchG ist es allerdings allgemein verboten, die Tiere ohne vernünftigen Grund zu verletzen, zu fangen oder zu töten.