Die Frühlings-Wegwespe
Schwarzroter Spinnenjäger
Die Frühlings-Wegwespe (Anoplius viaticus) erreicht eine Körperlänge von bis zu 14 mm, wobei die Weibchen etwas größer werden als die nur bis zu 11 mm messenden Männchen. Sie ist größtenteils schwarz, nur ihr Hinterleib ist nahe der Wespentaille oberseits ziegelrot gefärbt. Auf dieser Färbung sind schwarze Streifen zu erkennen, die sich zur Mitte hin zu einem Dreieck erweitern. Die Weibchen tragen am Hinterleibsende lange, starke Borsten, die sie beim Nestbau als Sandschieber einsetzen. Verwechslungsgefahr besteht bei oberflächlicher Betrachtung gegebenenfalls mit der etwas kleineren Rotschwarzen Spinnenwespe (Arachnospila anceps). Deren Hinterleib ist allerdings nur zur Hälfte rötlich gefärbt und weist auch keine schwarzen Binden auf.
Verbreitung
Die Frühlings-Wegwespe ist im gesamten Bundesgebiet anzutreffen und in ganz Mitteleueropa relativ weit verbreitet. Die Art ist zudem auch in Nordafrika und im Nahen Osten beheimatet.
Lebensraum
Der typische Lebensraum der Frühlings-Wegwespe sind trockene und sandige Böden wie Binnendünen, Sandgruben, Sandwege und vegetationsarme Waldböden. Die Art ist auch häufig im Siedlungsbereich anzutreffen.
Vorkommen und Lebensweise
Eine Generation von Frühlings-Wegwespen beginnt ab Ende April und endet meist Anfang September.
Die Art überwintert als ausgewachsene Wespe nach der Paarung in selbst gegrabenen Hohlräumen im Boden. Im nächsten Jahr nehmen die Weibchen die Jagd auf Spinnen auf, vorzugsweise Wolfsspinnen. Sie erbeuten diese noch vor dem Nestbau, indem sie sie mit einem Stich lähmen und rückwärts bewegend zu einem geeigneten Nistplatz, meist einer offenen Sandfläche, transportieren. Das Ablegen der Spinne während der Bauphase birgt jedoch die Gefahr, dass Artgenossinnen versuchen, die Beute für den eigenen Nachwuchs zu stehlen. Nachdem die Nestmutter die Wolfsspinne in den Gang geschafft hat, legt sie ein einzelnes Ei darauf ab und verschließt die Brutzelle. Die daraus relativ zügig schlüpfende Larve nutzt die bewegungslose, aber noch lebende Spinne als Nahrungsquelle und frisst sie dann allmählich auf. Die durch die reichhaltige Kost nach nur wenigen Tagen voll entwickelte Larve spinnt sich in einen Kokon, in dem sie als sogenannte Ruhelarve liegt, bis sie sich im Juni oder Juli schließlich verpuppt und wenig später als adulte Wegwespe schlüpft. Ab etwa Juli bis September paaren sich die Imagines. Während die Männchen nur kurze Zeit darauf bereits sterben, graben sich die nun befruchteten Weibchen Nester zur Überwinterung, ohne weitere Brutzellen anzulegen. Im Frühjahr, meist gegen Ende April, verlassen die Weibchen ihr Nest, um die Jagd nach Spinnen aufzunehmen. Ein neuer Zyklus beginnt.
Dieses bemerkenswerte Brutfürsorgeverhalten, das man in ähnlicher Form beispielsweise auch bei der Tönnchenwegwespe (Auplopus carbonarius) und der Bleigrauen Wegwespe (Pompilus cinereus) beobachten kann, ist eines von drei typischen Verhaltensmustern innerhalb der ausschließlich parasitär lebenden Familie der Wegwespen. Eine weitere Strategie besteht darin die Spinne mittels eines Stichs nur kurzzeitig zu paralysieren und das Ei direkt anschließend auf die gelähmte Spinne zu legen. Die kurzzeitig später schlüpfende Larve entwickelt sich daraufhin als sogenannter Ektoparasit an der der zunächst noch normal weiterlebenden Spinne, bis diese schließlich stirbt. Zu dieser Gruppe zählen die Wegwespen-Arten Aporus pollux und Arachnospila spissa. Eine dritte Lebensweise haben unter anderem die Wegwespen der Gattungen Poecilagenia, Evagetes und Ceropales entwickelt. Diese Arten nutzen die bereits von anderen Wegwespen erbeuteten Spinnen, indem sie diese während des Transports zum Nest stehlen oder ein bereits angelegtes Nest öffnen. Die auch bei der Frühlings-Wegwespe als Brutparasit in Erscheinung tretende Kuckuckswegwespe (Evagetes proximus) ist wohl der bekannteste Vertreter dieser Gruppe.
Das steht auf dem Speiseplan
Die Frühlings-Wegwespe ist auf Spinnen spezialisiert. Insbesondere die Tiere der nachtaktiven Wolfsspinnengattung Trochosa fallen der Wespe dabei häufig zum Opfer. Die ebenfalls nachtaktive aber zur Familie der Echten Radspinnen zählende Spaltenkreuzspinne ist, wenn auch deutlich seltener, ein weiteres Beutetier. Nachdem die Wegwespe ihre Opfer tagsüber in deren Schlupfwinkeln, in der Regel unter Steinen, Moospolstern oder Holzstücken, aufspürt, lähmt sie die Beute mit einem Stich durch ihren Giftstachel in das Nervensystem. Die Spinne dient anschließend als Proviant der Brutzellen und somit der neuen Generation als erste Nahrungsquelle. Da eine Spinne pro Nachkommen als Nahrung ausreichen muss, weisen die Spinnen in der Regel auch eine für den Futterbedarf der wachsenden Larve entsprechende Größe auf. So ist die Beute der Wespe meist deutlich größer als der Jäger selbst.
Die Imagines ernähren sich wie bei fast allen Wespenarten üblich vorwiegend von Blütennektar. Da die Mundwerkzeuge der Wespen im Vergleich zu den Bienen kürzer und weniger spezialisiert sind, bevorzugen sie den Nektar leicht erreichbarer, flacher Blüten. Typische Pflanzen, die hierzu zählen sind beispielsweise Großes Zweiblatt (Listera ovata), Sand-Thymian (Thymus serpyllum), Faulbaum (Frangula alnus), Braun- und Sumpfwurz (Srophularia nodosa und Epipactis spec), Efeu (Hedera helix) und einige Doldengewächse (Apiaceae) wie die Süßdolde (Myrrhis odorata).
Mit Ausnahme der Honigwespe (Celonites abbreviatus) besitzen die in Deutschland beheimateten Wespenarten keine Sammel- und Transportvorrichtungen für Pollen. Während die Pollen als Nahrungquelle daher zwar eine eher untergeordnete Rolle spielen, bleibt beim Blütenbesuch dennoch ausreichend Pollen in den Haaren hängen um sie zu einem nützlichen und wichtigen Bestäuber zu machen.
Gefährdung & Schutzstatus
Anoplius viaticus gilt in allen deutschen Bundesländern, so auch in Berlin, in ihrem Vorkommen als nicht gefährdete Wespenart. Sie ist jedoch in Deutschland nicht wie andere Hautflügler-Arten (u.a. Bienen, Hummeln, Hornissen) nach der Bundesartenschutzverordnung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) besonders geschützt. Nach §39 des BNatSchG ist es allerdings allgemein verboten wild lebende Tiere ohne vernünftigen Grund zu verletzen, zu fangen oder zu töten.
Brutparasiten
Die Art wird von der Kuckuckswegwespe (Evagetes proximus) parasitiert.