Klimaanpassungsstrategien und Biodiversität
Der 21. Berliner Naturschutztag
Die ehemalige Auferstehungskirche bot einen würdigen Rahmen für die Diskussion über ein bedrückendes Thema, die aber immer wieder auch Lichtblicke eröffnete. Nach der Begrüßung durch Rainer Altenkamp, den 1. Vorsitzenden des NABU Berlin, eröffnete Staatssekretär Stefan Tidow von Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klima die Veranstaltung mit einem Grußwort. Er wies darauf hin, dass die Zahl der Hitzetage seit Mitte des 20. Jahrhunderts um 73 Prozent zugenommen habe und stellte fest: „Dies wirkt sich in beunruhigendem Ausmaß auf unser Stadtklima aus.“
Vor allem die Bäume stünden unter Druck, sie seien „die ersten Opfer des Klimawandels.“ Die Charta Stadtgrün sei ein Schüssel für einen besseren Schutz von Grünflächen. Oft gäbe es leider einen Zielkonflikt zwischen dem Schutz des Stadtgrüns und Infrastrukturprojekten. „Der Artenschutz darf nicht in die Defensive kommen“, mahnte Tidow.
Nachdem Thomas Tennhardt, Gründungsvorsitzender des NABU Berlin, einen Rückblick auf 30 Jahre Verbandsgeschichte gegeben und Vergleiche mit der heutigen Situation gezogen hatte („Auch damals ging es für uns Naturschützer um Anpassung.“), gab Dr. Horst Korn, Leiter der Abteilung Internationaler Naturschutz im Bundesamt für Naturschutz einen Überblick über die globale Situation in Zeiten der Erderwärmung.
Er sieht besonders feuchte Ökosysteme bedroht und wies ebenfalls auf die Bedeutung des Stadtgrüns hin: „Schon kleinere Grünflächen können Hitzewellen in der Stadt um drei bis vier Grad Celsius abmildern.“
Im weiteren Verlauf spielten Bäume denn auch eine Hauptrolle. Zunächst stellte Dr. Barbara Jäckel vom Pflanzenschutzamt den deprimierenden Zustand der Berliner Stadtbäume vor, die unter anderem durch die Dürre der letzten Jahre geschwächt und oftmals von Krankheiten befallen seien.
Sie beschrieb Versuche, den Bäumen durch gezielte Wässerung und Düngung zu helfen, erklärte jedoch, dass man in Zukunft wohl auf ungewohnte Baumarten wie die Ungarische Eiche (Quercus frainetto) zurückgreifen müsse, die besser mit wärmeren, trockenen Bedingungen zurechtkommen. Die neuen Arten müssten jedoch auch Lebensraum für Insekten bieten und nicht steril sein wie etwa der Gingko.
Der Forderung nach nicht heimischen Baumarten erteilte der Baumsachverständige Nicolas A. Klöhn eine Absage. Er wies darauf hin, dass Berlins Stadtbäume überwiegend Klone seien: „Da herrscht eine brutale genetische Verarmung.“ Nur weil diese „ganz wenigen Individuen“ den Verhältnissen in der Stadt nicht gewachsen seien, müsse das nicht für die gesamte Art gelten.
Zudem seien die heute gepflanzten Stadtbäume schon durch ihre globalisierte Produktion geschwächt und würden aus wirtschaftlichen Gründen oft veredelt, was sie schneller wachsen ließe, aber ihre Standfestigkeit und Lebensdauer verringere. Er schloss mit einem Appell, alte Bäume zu erhalten: „Große alte Bäume sind sich nicht durch Neupflanzungen zu ersetzen!“
An seine Ausführungen schloss sich der Vortrag von Klaus Koziolek vom Umwelt- und Naturschutzamt Spandau nahtlos an, der eine neue Baumschutzverordnung forderte. Statt Besitzer von Grundstücken mit vielen Bäumen faktisch zu benachteiligen, sollten alle Grundstückseigner verpflichtet werden, pro Fläche eine bestimmte Anzahl von Bäumen entweder zu erhalten oder, wenn nicht vorhanden, neu zu pflanzen.
Im Anschluss gab Dirk Riestenpatt von den Berliner Forsten einen Überblick über die Situation derselben. Nur acht Prozent der Waldbäume seien nach den letzten trockenen Sommern ganz gesund, doch gebe es zum Glück keine flächenhaften Schäden. Um die Berliner Forsten fit für eine heiße Zukunft zu machen, sei derzeit ein gewaltiges Waldumbauprogramm im Gang. Wo heute noch zu fast zwei Dritteln Kiefern wachsen, sollen in 50 Jahren mehr als 90 Prozent Laubbäume gedeihen. „Ich bin überzeugt“, beruhigte Riestenpatt das Publikum, „dass es selbst bei vier Grad globaler Erwärmung noch Wald in Berlin geben wird.“
Dass Stadtgrün nicht mit Bäumen gleichzusetzen ist, führte anschließend Dr. Stephan Brenneisen von der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen dem Publikum eindrucksvoll vor Augen. „Naturoasen in luftiger Höhe – Biodiversitätsförderung durch Dachbegrünungen“ hieß sein Vortrag.
Brenneisen bewies, dass Gründächer unendlich viel mehr sein können als die bei uns gängigen Sedummatten, die er verächtlich „Sedumsteppen“ nannte. Eine mindestens zwölf Zentimeter dicke Substratschicht ermöglicht artenreiche Dachwiesen, auf denen sich seltene Laufkäfer einfinden, Orchideen gedeihen und sogar Kiebitze erfolgreich ihren Nachwuchs großziehen.
Zum Abschluss kam Jens Esser von der Entomologischen Gesellschaft Orion nochmals auf neue Baumarten zurück und stellte deren mitunter unerwünschte Bewohner vor: „Neue Bäume bringen auch neue Insekten mit.“
Häufig gepflanzte, hitzeresistente Exoten wie Amberbaum, Gleditischie oder Schnurbaum beherbergten Schädlinge, die einheimische Arten verdrängen und wirtschaftliche Schäden verursachen könnten. So knabbern an den Schoten der Gleditischie Samenkäfer, die sich auch über Hülsenfrüchte hermachen.
Generell seien alte Straßenbäume jedoch wichtige Habitate für bedrohte Käfer.
Alexandra Rigos