Da staunt der Laie ...
Artenvielfalt im Schatten des Flugbetriebes
Der Flughafen Tegel im Nordwesten Berlin ist umgeben von einer Reihe größerer naturnaher Landschaften.
Dieses Netz aus Wäldern und Gewässern beginnt im nordwestlichen Berliner Umland und erreicht mit dem Spandauer und dem Tegeler Forst Berliner Stadtgebiet. Zusammen mit der Oberhavel, dem Tegeler See sowie dem Tegeler Fließ besteht über den Forst Jungfernheide eine Verbindung zum Vogelschutzgebiet am Flughafensee.
Es mutet merkwürdig an, dass Flughäfen auch wertvolle Lebensräume sein können. Doch für die auf dem Flughafengelände nistende größte Berliner Saatkrähenkolonie sind die Bereiche zwischen den Rollbahnen die wichtigsten Nahrungsflächen. Auch 79 Feldlerchenpaare brüten auf den Freiflächen des Flughafens. Die Vegetation besteht aus Grasfluren, Trocken- und Magerrasen, Zwergstrauchheiden, Gebüschen und Vorwäldern und umfasst 493 Pflanzenarten, davon sind 41 im Bestand gefährdet. Neben den oben graphisch dargestellten Tiergruppen kommen dort weitere 17 Heuschrecken- und Grillenarten, zwei Reptilien-, fünf Amphibienarten sowie Vertreter zahlreicher weiterer Tiergruppen vor, die noch nicht systematisch untersucht wurden. Dank der kontinuierlichen, jahrelangen Pflege durch die Ehrenamtlichen des NABU Berlin konnte das Vogelschutzgebiet am Flughafensee seine Artenausstattung erhalten und weiterentwickeln. „In den letzten Jahren waren immer mal wieder Kraniche zu beobachten“, sagt Frank Sieste, Leiter der AG Vogelschutzreservat. Auch die Graugänse haben in den letzten Sommern erfolgreich gebrütet. Sie finden die Fläche attraktiv und stören sich nicht an den Badegästen. Die Lebensräume im Vogelschutzgebiet vergrößern und verkleinern sich je nach Lage des Wasserstandes. Dank der finanziellen Unterstützung durch die Senatsverwaltung erhalten die Naturschützer seit dem Jahr 2015 außerdem noch bissfeste Hilfen durch Schafe und Ziegen, die Teilbereiche von unerwünschtem Bewuchs frei halten. Das schafft Vielfalt und sichert die biologische Ausstattung des Gebiets. Für diese Wohnbebauung müsste rund ein Drittel der Feldlerchenbestände geopfert werden. Das ist bedauerlich, wohnungsbaupolitisch fraglich, politisch gewollt und vor allem mit Auflagen verbunden. Die Feldlerchenbestände müssen Ersatzflächen erhalten, im Idealfall direkt nebenan. Doch innerhalb des Vogelschutzgebietes am Flughafensee lassen sich nur einige wenige Dinge optimieren „wie Steinhaufen für den Wiedehopf errichten, Sandflächen schaffen oder die Heide verjüngen“, zählt Sieste auf. (cb)
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Nahrungsfläche neben Rollbahn
Sollte der TXL tatsächlich geschlossen werden, muss jede Nachnutzung besonders behutsam erfolgen. In der Diskussion um den im Jahr 2013 verabschiedeten Masterplan war es nicht gelungen, die zukünftige Bebauung auf die bereits versiegelten und genutzten Flächen zu beschränken: Durch die Wohnbebauung im Osten des Geländes und die geplante Urban Tech Republic (UTR) im Süden werden neben den Revieren von Steinschmätzer, Grauammer, Heidelerche, Pirol, Dorngrasmücke und Braunkehlchen allein 43 Reviere der Feldlerche verloren gehen und 50,3 Hektar geschützte Biotope überbaut werden.
Doch damit nicht genug will die UTR nun auch den freien Landschaftsraum nutzen: Den Bau von Windkraftanlagen in Nachbarschaft zu Feldlerchen- und Greifvogelrevieren konnten die Naturschützer abwenden. Ein Helikopterlandeplatz und Teststrecken für Elektromobilität stehen noch zur Diskussion. Sie würden eine weitere Störung und Zerschneidung der verbleibenden Offenlandschaft bewirken und damit auch den dort geplanten naturschutzrechtlichen Ausgleich für die Bebauung in Frage stellen. (jsa)
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Wie geht es dem Vogelschutzgebiet?
Probleme gibt es immer mal wieder mit Wildschweinen, Badegästen und Randalierern. Doch in der Summe geht es dem Vogelschutzgebiet prächtig. „Ungewiss wird die Zukunft in der Nachbarschaft“, betont Sieste und hat damit auch die 3.000 bis 5.000 Wohnungen im Blick, die im Nachnutzungskonzept Tegel in direkter Nachbarschaft gebaut werden sollen.