Was schlummert in der Tiefe?
Berliner Gewässer vor dem Kollaps / von Dr. Hans-Jürgen Stork
Ähnlich erging es schon dem Schäfersee, den sogenannten „Blauen Augen von Frohnau“ und vielen anderen Kleingewässern in Berlin. Sie stinken und stecken voller Umweltgifte, die das Überleben von Wasserbewohnern immer schwerer machen. Während Naturschützer selbst die kleinen feuchten Senken und Seen als wichtigen Lebensraum sehen, betrachten die Berliner Wasserwerke sie als technische Bauwerke, die eine Funktion zu erfüllen haben.
Nur technische Funktion?
Wenn Hauben- und Rothalstaucher am Waldsee noch vorkommen, spricht dies immerhin für eine gewisse Vielfalt an Kleinfischen, Krebsen, Insektenlarven und anderen Organismen der Nahrungskette. Doch die Erhöhung der Schlammschichten sorgt auch für eine Verringerung des Wasserkörpers, in dem diese Nahrungstiere zu sehen und zu fangen sind.
"Die Gewässer sind nachhaltig zu bewirtschaften, insbesondere mit dem Ziel, ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern."
Aus der Wasserrahmenrichtlinie
Was ist drin?
Die Berliner Gewässer kämpfen mit dem Straßendreck. Nasse Lebensräume – von den kleinen Frohnauer Teichen über viele Land- und Flussseen bis hin zu Spree und Havel – „dienen“ als Vorfluter für Straßenabwässer von den vielen versiegelten Flächen ihrer Einzugsgebiete. Dabei wird Substrat eingespült, das am Gewässerboden aufsedimentiert. Der von den Straßen bei Starkregen abgespülte Reifenabrieb und andere Rückstände durch Auswaschungen aus Kunststoffen, Dach- und Fassadenfarben sowie Dämmstoffen sorgen für eine so hohe Belastung mit Giftstoffen, dass bereits zukünftige Schlammablagerungen wieder zum gefährlichen Abfall werden.
Verschiedene Untersuchungen einiger Kleingewässer in Berlin ergaben hohe Belastungen mit Schwermetallen. Problematisch sind außerdem organische Stoffe im Schlamm und im zufließenden Wasser (s. Tabelle unten). „Regenwasserabfluss ist die größte unbehandelte Quelle von potentiell hohen Spurenstofffrachten in urbane Oberflächengewässer. In Berlin werden ca. 74 Prozent oder jährlich 44 Millionen Kubikmeter des Regenwasserabflusses weitgehend unbehandelt eingeleitet“, schreibt das Kompetenzzentrum Wasser Berlin.
Warum entschlammen?
Doch irgendwann muss der Mülleimer einfach ausgeleert, das heißt die Gewässer müssen gereinigt werden, damit wieder genug Wasservolumen aufgenommen werden kann. Aber das kostet viel Geld. Für die Teilentschlammung des Schäfersees entstanden beispielsweise Kosten in Höhe von 1,17 Mio €. Die Entsorgung des gefährlichen Abfalls machte rund 716.000 € aus.
Beispiel Schäfersee
Das vier Hektar große Gewässer liegt innerhalb einer geschützten Parkanlage im Zentrum von Reinickendorf. Der See wird seit etwa 100 Jahren als Vorfluter für die Regenwasserkanalisation eines 260 Hektar großen Einzugsgebietes genutzt und ist dieser Belastung seit Langem nicht mehr gewachsen.
Immer wieder kommt es zu Fischsterben und Geruchsbelästigungen durch Schwefelwasserstoff. Im Jahr 1999 gab es eine Verschmutzung mit Öl, im Juni 2007 und Juni 2008 ein großes Fischsterben. 2014 wurde das Gewässer teilentschlammt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt teilte auf Nachfrage mit, dass bei dieser Maßnahme die Uferbereiche des Sees bis zu einer Tiefe von 3,5 Meter von den schädlichen Ablagerungen befreit wurden. Aus diesen Bereichen wurden etwa 7.000 Tonnen Sediment entnommen. Die Entnahme aller im See befindlichen Ablagerungen, immerhin ca. 70.000 Kubikmeter gefährlicher Abfall, war im Rahmen der Gewässerunterhaltung aus Kostengründen nicht möglich. Die Wirkung der Entschlammung soll beobachtet und bis Ende 2016 ausgewertet werden.
Saubere Lösungen
Konzepte für nachhaltige Lösungen dieser Probleme gibt es in Berlin bis heute nur ansatzweise und sie werden nur vereinzelt umgesetzt. In der Schweiz und in Österreich sind Straßenabwasserbehandlungsanlagen (SABA) schon lange verbindlich. Auch in Berlin gibt es Vorzeigeanlagen: Am Septimer Becken in Reinickendorf reinigt schon seit über 25 Jahren ein Sumpfklärbeet Straßenabwasser vor. Der Bezirk Zehlendorf kann für den Pücklerteich auf eine bevorstehende Fertigstellung verweisen. Die Gemeinde Glienicke-Nordbahn wird im nächsten Jahr mit einem Bau beginnen. Am Charlottenburger Halensee scheint die Vorklärung von Straßenabwässern schon zu funktionieren – das Baden im See soll schon wieder möglich sein. Auch am Schäfersee in Reinickendorf ließe sich ausreichend Platz für eine SABA finden.
Wie eine SABA funktioniert
Bei einer SABA erfolgt die Versickerung über bewachsenen Ober- und Unterboden. In der Regel können mit dem Verfahren die im Straßenabwasser enthaltenen Schadstoffe wie beispielsweise Kupfer, Zink oder auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe zurückgehalten werden. Abbaubare Stoffe werden zudem biologisch umgewandelt. Bewachsene Rückhaltebecken und Sandfilter mit einer Absorberschicht sowie Split-Kies-Filterschichten halten die größten Schadstoffe zurück. Der Nachteil von bewachsenen Bodenfiltern ist der relativ große Flächenbedarf. In urbanen, dicht bebauten Gebieten ist die Fläche für eine SABA oft nicht vorhanden, weshalb in der Schweiz beispielsweise auch „technische SABAs“ in Betrieb sind.
Mehr erfahren:
In Reinickendorf-Ost liegt der fast kreisrunde Schäfersee. Der Schäferseepark ist Naherholungsgebiet für rund 30.000 Anwohner*innen. Das Areal wurde 1929 als Park angelegt und ist heute eine geschützte Grünanlage und ausgewiesenes Gartendenkmal. Mehr →
Beispiel Sumpfklärbeet Septimer Becken
Bei jedem größeren Dauerregen füllt sich das Septimer Becken rasch und tritt schnell über das westliche Ufer. Das verschmutzte Straßenwasser überspannt bis zum niedrigen Damm die gesamte Senke. Bei feuchter Witterung kann sich die Vernässung über Wochen halten. Seggenried, Röhricht und Feuchtigkeit liebende Krautpflanzen können sich fast in jedem Frühjahr und Sommer prächtig entwickeln. In trockeneren Zeiten ist zu beobachten, dass zwischen den Pflanzen des Talgrundes so mancher Straßendreck hängen bleibt. Die reinigende Wirkung des flachen Wasserkörpers zeigte sich auch dadurch, dass der Sauerstoffgehalt vom Einlauf in das Regenauffangbecken bis zum Staudamm von acht mg/l bis auf null zurückging. Dies zeugt von der Arbeit sauerstoffzehrender Bakterien an organischen Substanzen im Wasser.