Naturschutzrecht vor Steganlagen
Naturschutzverbände schützen FFH-Gebiet vor Eingriffen
Im Jahr 2006 wurde der Müggelsee als Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet „Müggelspree-Müggelsee“ an die EU-Kommission gemeldet, aber erst 2017 als Naturschutzgebiet bzw. Landschaftsschutzgebiet gesichert. Bereits 2015 haben die Berliner Naturschutzverbände vor diesem Hintergrund gegen die Genehmigung einer Steganlage durch das Bezirksamt Treptow-Köpenick vor dem Berliner Verwaltungsgericht eine Klage eingereicht und diese jetzt gewonnen.
Das Urteil vom 22.03.2018 ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Vorhabenträgerin ist in die nächste Instanz gegangen. Was liegt dem zugrunde? Am Nordufer des Großen Müggelsees wurde von einem privaten Investor eine „gehobene“ Wohnanlage errichtet. Im Verkaufsprospekt wurde diese mit „eigenem Yachthafen und Badestrand“ beworben und es wurde der Antrag zum Bau einer Steganlage für 30 Motorboote gestellt. Das Ufer des Grundstücks liegt jedoch noch im FFH-Gebiet.
Worum geht es?
Steganlagen sind nach der Berliner Gesetzeslage genehmigungspflichtig. So wurde der Antrag vom Bezirk zuerst abgelehnt, auch die Naturschutzverbände waren gegen das Vorhaben, weil das FFH-Gebiet betroffen ist. Der Investor klagte dann gegen das Bezirksamt auf Genehmigung des Antrags. In der Folge wurde ein sogenanntes Güterichterverfahren am Verwaltungsgericht Berlin durchgeführt. Dazu sollte zur Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der Steganlage hinsichtlich der Vorgaben durch die FFH-Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ein Gutachten erstellt werden. Für die Durchführung wurde das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beauftragt.
Im Ergebnis kam die umfangreiche Studie zu dem Schluss, dass der Bau und die Nutzung der Steganlage die Schutzziele der FFH-Richtlinie und der WRRL tatsächlich erheblich beeinträchtigen würden, insbesondere
• durch die Verschattung und Störung der Uferzone durch den Steg und die dort liegenden Boote,
• durch die Lärm-, Schadstoff- und Wellenemissionen der dorthin oder von dort fahrenden Boote,
• sowie durch die zusätzlichen Motorbootfahrten auf dem Müggelsee.
Statt 30 Motorboote besser 12?
Allerdings waren die Gutachter der Meinung, dass sich diese Beeinträchtigungen bei Begrenzung auf 12 Motorboote durch geeignete Maßnahmen kompensieren ließen. Vorgeschlagen wurden deshalb der teilweise Rückbau der vorhandenen Ufermauer und die Schaffung einer Land- Wasser-Übergangszone mit Schilfgürtel. Dazu wurde ein kompliziertes Regelwerk aufgestellt, in dessen Konsequenz die Genehmigung zur Errichtung der Steganlage nur Bestand hätte, wenn der angepflanzte Schilfgürtel dauerhaft seine Lebensraumfunktion erfüllen würde. Unter diesen Voraussetzungen waren die Gutachter der Meinung, dass der Eingriff ausgeglichen werden könnte und dass im Ergebnis so keine erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne von §34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) für das FFH-Gebiet entstehen würden. So exakt das Gutachten auch sonst war, diese Begründung wurde weder qualitativ noch quantitativ nachvollziehbar dargestellt. Wie die Gutachter zu dieser Einschätzung kamen, blieb letztlich ihr Geheimnis.
Es blieb den Verbänden nur die Klage
Auch ein Blick in die zu diesem Zeitpunkt schon vorhandene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum FFH-Recht hätten die Genehmigungsbehörden eines Besseren belehren müssen. Die Festsetzung eines Ausgleichs ist keine Begründung dafür, einen nachteiligen Eingriff in ein FFH-Gebiet zu genehmigen, denn erst einmal gilt das Verschlechterungsverbot. Dieser Widerspruch wurde weder vom Bezirksamt noch von der ehemaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz bemerkt. So wurde im Februar 2015 eine Vereinbarung getroffen, nach der sich das Bezirksamt verpflichtete, die abgespeckte Steganlage zu genehmigen, wenn der Investor die dargestellten Renaturierungsmaßnahmen durchführt. Nach erfolgter Genehmigung blieb den Naturschutzverbänden nichts anderes übrig als dagegen zu klagen.
Das Urteil gibt der Klage Recht
Das nun vorliegende Urteil gibt im vollen Umfang unserer Klage Recht. Das Verwaltungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben zu erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets führen könne. Dabei zitiert es die Zusammenfassung der Verträglichkeitsstudie. Diese bejaht die Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen ausdrücklich. Das Gericht führt aus, dass Kompensationsmaßnahmen im FFH-Gebiet rechtlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs nicht zu berücksichtigen seien bei der Frage, ob es zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen könne.
Kompensation nicht zulässig
Der Europäische Gerichtshof hatte in seiner grundlegenden Entscheidung vom 15.05.2014 (C-521/12) ohne Wenn und Aber klargestellt, dass Kompensationsmaßnahmen, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltungsziele weder verhindern noch verringern, sondern sie später kompensieren bzw. ausgleichen sollen, nicht dazu geeignet sind, die erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets auszuschließen. Weiter wird erläutert, dass die in der Verträglichkeitsstudie vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich der Kompensation dienten und nicht der Vermeidung oder Minimierung des Eingriffs. Die Maßnahmen wirkten zeitlich nachgelagert bzw. an anderer Stelle. Sie änderten am beabsichtigten Eingriff selbst, das heißt an der Errichtung des Stegs, nichts.
So kommt das Gericht zu dem für den Beklagten und die Vorhabenträgerin niederschmetternden Ergebnis, dass das Vorhaben in Ermangelung einer so genannten Abweichungsentscheidung unzulässig sei. Nach §34 Abs.3 BNatSchG kann die zuständige Behörde das Projekt nur bei zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses trotz der Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen unter bestimmten Voraussetzungen zulassen.
Kein öffentliches Interesse in Sicht
Das Verwaltungsgericht macht der Vorhabenträgerin auch für eine künftige Zulassung über eine Abweichungsentscheidung einen Strich durch die Rechnung. Eine solche Abweichungsentscheidung könne gar nicht rechtmäßig getroffen werden. Ein öffentliches Interesse fehle. Denn ein privater Investor wolle die Steganlage zur Nutzung durch die Eigentümer der Wohnanlage errichten. Damit ist die Zulassung des Vorhabens auch künftig ausgeschlossen. Abzuwarten bleibt, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über den Berufungszulassungsantrag entscheidet. Aufgrund der umfassenden Begründung des Verwaltungsgerichts, der konsequenten Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung des FFH-Rechts, sind dabei jedoch hohe Hürden zu überwinden.
Im Juni hat der Investor den Bootssteg jedoch errichten lassen. Dies ist ein klarer Rechtsbruch, denn solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, hat die Verbändeklage eine aufschiebende Wirkung. Hierbei spielt das Bezirksamt Treptow-Köpenick eine dubiose Rolle. Offensichtlich wusste es von den Plänen des Investors, hat aber nichts dagegen unternommen, um den Rechtsbruch zu unterbinden. So bleibt den Umweltverbänden nichts anderes übrig, als den Rückbau der illegalen Steganlage wiederum vor Gericht einzuklagen.
Text: Manfred Krauß, Antje Stavorinus, Manfred Schubert, Tim Stähle