Geschützte Saatkrähen beeinflussen Bebauung am Flughafen Tegel
Ein Kommentar zum ersten Bebauungsplan
Im Juni 2015 wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz der erste Bebauungsplan für das Flugfeld von Tegel (Plangebiet 12-51) der Öffentlichkeit vorgestellt. In der Begründung zum B-Plan heißt es auf Seite 46:
„Im Bereich des heutigen Flughafenparkplatzes befindet sich ein Koloniestandort einer Saatkrähenkolonie. Insgesamt sind nur noch zwei Saatkrähenkolonien in Berlin bekannt. Auf Grund ihrer Bedeutung wurde 2014 das „Fachgutachten zur Beurteilung der Betroffenheit der Saatkrähenkolonie am Flughafen Tegel durch die geplanten städtebaulichen Entwicklungen“ erstellt. Die Flächen des Plangebietes 12-51 besitzen große Bedeutung als Nahrungshabitat für die Saatkrähe und sind ggf. standortbestimmend.
Das Gutachten macht folgende zwingend erforderliche Angaben, um die Kolonie in ihrem Erhaltungszustand zu bewahren und um die Auslösung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände zu vermeiden und sollten befolgt werden:
- Schaffung/Erhalt eines weitgehend unverbauten Flugkorridors zwischen Brutkolonie und Nahrungshabitat
- Erhalt großer zusammenhängender Freiflächen als Nahrungshabitat (etwa 60 % des heutigen Flugfeldes), Erhalt des Nahrungsangebotes für die Saatkrähe (Nahrungsflächenkartierung und anschließende vertiefte Maßnahmenkonzeption notwendig)
- Monitoring (Dokumentation des Saatkrähenbestandes und -verhaltens während der gesamten weiteren Planungsphase und der Bauphase, ggf. Festlegung weiterer Maßnahmen)
Auch für die in Berlin stark gefährdete Dohle (Corvus monedula) stellen die Wiesenflächen des Flughafens wichtige Nahrungsflächen dar. Die
1 Kilometer nordöstlich, im Randbereich des Flughafens Tegel, liegende Kolonie ist die größte der Art in Berlin und die einzige, in denen jährlich erfolgreiche Bruten festgestellt werden konnten.
In diesen Aussagen kommt zum Ausdruck, dass die im vergangenen Jahr von mir in das Planungsverfahren eingebrachten und in zahlreichen Untersuchungen belegten Argumente weitestgehend berücksichtigt worden sind. Dies mag optimistisch stimmen.
Am 1. Juli 2015 hatte ich Gelegenheit das o. g. „Fachgutachten zur Beurteilung der Betroffenheit der Saatkrähenkolonie am Flughafen Tegel durch die geplanten städtebaulichen Entwicklungen“ der Gruppe F (Autorinnen: Pütz & Kucher) einzusehen und konnte feststellen, dass die von mir in einem
Fachgespräch und in diversen Veröffentlichungen bereit gestellten Informationen und Untersu- chungsergebnisse recht umfangreich genutzt und für ein auch von mir vorgetragenes Votum zugunsten des Schutzes der Saatkrähenkolonie verwendet worden sind. Ich hätte mir allerdings auch die Beachtung meiner früheren Abhandlung (Droege & Stork 2007) gewünscht.
Eigenständige Beobachtungen der Flüge der Saatkrähen zwischen Kolonie und Nahrungsraum wurden offensichtlich nicht durchgeführt. Nur so wird verständlich, dass ein in Abb. 21 dargestelltes und simuliertes Blickfeld einer Krähe von der Kolonie aus zwischen Gebäudeblöcken über eine große Freifläche auf einen Bereich westlich des Hexagons gerichtet und nicht in die überwiegend genutzte Schneise östlich des Hauptgebäudes. Obwohl die Nahrungsflächen von den Krähen ziemlich geradlinig angeflogen werden und ein Abbiegen erst auf dem Flugfeld erfolgt, wird in einer weiteren Abbildung ein stark rechts gebogener Anflugweg simuliert. Hier wird wohl schon eine Anpassung an die künftige B-Planung für den Bereich des heutigen Terminals C und der davor liegenden Parkplätze gesucht. Danach ist auch noch eine dichte „Einmauerung“ und Verbauung des direkten Flugweges vorgesehen.
Der im B-Planungsgebiet vorgesehene Flugkorridor sollte sich auch am Westrand zu den Freiflächen hin weiten und nicht durch Baublöcke eine harte Kante bekommen. Dies wäre für den Rückflug der Krähen zur Kolonie besser leitend.
Auch der Blick von nördlichen Flächen des zukünftigen „Naturparks“ auf das denkmalgeschützte ehemalige Abfertigungsgebäude wäre hier offener und eindrucksvoller.
Die in den nördlichen Industrieflächen für Bauten vorgesehene OK von 30 m über der Bodenfläche setzt in dieser Höhe ein hartes Hindernis in die Landschaft. Krähen können wohl überfliegen, doch aus Sicht von den Flächen des Naturparks sollte hier ein sanfterer Übergang gesucht werden, der auch durch die vorgesehene Dachbegrünung noch unter-stützt werden kann.
Die erwünschten Kaltluftströme zur Innenstadt hätten weniger Hindernisse im Weg.
Ob allerdings die im aktuellen B-Plan und in folgenden B-Plänen vorgesehenen Flächen für die Brutkolonie, für den Flugkorridor und für die Nahrungsflächen ausreichend sind, mag angezweifelt werden. Die gerade in der Auswertung befindlichen Ergebnisse zu Aufbau und Entwicklung der Brutkolonie und zur Nutzung der verschiedenen Nahrungsflächen machen wohl schon Änderungen in den weiteren vertieften Maßnahmenkonzeptionen notwendig.
Eine Biologie-Studentin und Praktikantin beim NABU Berlin-Reinickendorf führte in der Brutsaison 2015 unter meiner Anleitung bereits eine weitere Untersuchung durch und stellte fest:
1. Der Bestand der Saatkrähen-Kolonie hielt sich mit fast 70 Brutpaaren auf den Niveau der Vorjahre.
2. Im Laufe der Brutsaison von Anfang März bis Mitte Juni wurden fast alle Grünflächen des Flugfeldes im zeitlichen Wechsel in unterschied-lichen Gruppengrößen aufgesucht. Genauere Aussagen dazu werden in den nächsten 2 Monaten vorliegen.
Leiter NABU Reinickendorf