Rettet die blauen Augen von Frohnau
und das grüne Gesicht der Gartenstadt!
Dr. Hans-Jürgen Stork - Text des Vortrages vom 17. Juni 2010 im Centre Bagatelle:
Ein Dorfteich hatte in den vergangenen Jahrhunderten wichtige Funktionen zu erfüllen: Er diente als Regenauffangbecken, Feuerlöschteich, Viehtränke, Pferdebad, Schwimmbecken für Dorfkinder - und war auch immer Lebensraum für eine Lebensgemeinschaft wassergebun- dener Pflanzen und Tiere. Solch ein Dorfteich konnte auch einmal einen Gülleguss verkraften und war er einmal zu voll, versickerte das Wasser über seine Uferzonen. Vor über hundert Jahren schrieb ein Dorfschullehrer über ein solches Gewässer ein wichtiges Buch. Friedrich Junge zeigte die Vielfalt der Lebewesen im Dorfteich auf und erwies sich damit als ein Vor- reiter der limnologischen und synökologischen Forschung. Ein Nachdruck seines Buches hat mir beim Ökologie-Unterricht in der Schule immer sehr geholfen. Dorfteiche sind meist aus natürlichen Pfuhlen entwickelt oder auch mal von Menschenhand in natürlichen Senken ange- legt worden. Glienicke (Nordbahn) hat einen solchen Dorfteich.
Frohnau besitzt einundzwanzig solcher Teiche
Sie wurden im Rahmen der Regenwasserentsorgung für die Gartenstadt vor 100 Jahren genutzt und sind in natürlichen Senken angelegt. Auch natürliche Pfuhle (sog. Toteislöcher) waren dafür geeignet. Sie dienen bis heute als Sammelbecken für Regenwasser und als natürliche Versickerungsteiche. Ich möchte sie als die blauen Augen von Frohnau bezeich- nen, in denen sich der Himmel spiegeln kann - wenn er denn darf. Die Frohnauer Teiche haben eine grüne Fassung und liegen jeweils in kleinen, mehr oder weniger gepflegten „Geschützten Grünanlagen“.
Unterschiede nach Baggerarbeiten
Der Teich im Rosenanger hat nach starken Re- genfällen schon einmal Wasser, das dann schnell versickert und dann nicht den Himmel, so doch die Idealvorstellung der Berliner Wasserbetriebe, wider- spiegelt. Die landschaftsästhetische Wirkung ist allerdings dahin. Und die Erholungsfunktion des kleinen Parks ist stark beeinträchtigt. Ganz anders der Nibelungenteich, der die Frohnauer Gartenland- schaft bereichert. Auch Dorfschullehrer Runge hätte seine Freude daran gehabt.
Etwas täuschend blau schimmert der Dammteich am Fürstendamm. Er ist im vergangenen Jahr saniert worden, funktioniert aber nicht richtig als Versickerungsteich. Als Lebensraum ist er aber offensichtlich auch nicht mehr zu gebrau- chen. Es muss bezweifelt werden, dass sich die eingesetzten Goldfische lange halten kön- nen. Anders der Mehringteich, der noch ein vielfältiges, bewachsenes Ufer besitzt. Der Für- stenteich fällt dagegen sehr schnell trocken. Der Rest stinkt, wenn nicht genügend Wasser darüber gespannt ist.
Besonders aufregend präsentierte sich in diesem Frühjahr der Scheringteich. Er erfüllt vielleicht die Funktion eines Versickerungsbeckens aber ein schöner Anblick ist er wirklich nicht mehr. Als Lebensraum ist er wohl hingerichtet worden.
Und was halten Sie davon?
Als Naturschützer und Naturfreund, der auch die Schönheit der Landschaft als wichtig für den Menschen ansieht, kann mich der einseitige Umgang mit den Frohnauer Teichen nur erschrek- ken. Für die Berliner Wasserbetriebe gilt einzig: Das von den Straßen gesammelte Wasser soll so schnell wie möglich versickern – Richtzeit: 24 Stunden. Andere Funktionen eines dauerhaften Kleingewässers wie eine ästhetische Bereiche- rung eines Parks oder gar die eines Lebensrau- mes für Pflanze und Tier werden als unwesentlich angesehen. Ich frage mich, ob sich die Bewohner der Gartenstadt mit unschönen und stinkenden Drecklöchern einverstanden sein können.
Das nächste Sanierungsprojekt
Besonders schön und vielfältig ist der Ufersaum des Pilzteiches gerade nicht entwickelt, aber wie soll der Teich demnächst behandelt werden? Zur Sanierung des Regenversickerungsteiches „Pilzteich“ ist eine vollständige Entfernung der organischen Feinsedimente („Entschlammung“) vorgesehen. Dazu wird zunächst im Saug-Spül- verfahren der nicht verfestigte Schlamm entnom- men. Das Wasser wird dabei vollständig aus dem Teich abgepumpt. Die verfestigten Ablagerungen werden anschließend mit einem Schaufelbagger bis zum Erreichen des mineralischen Untergrun- des entnommen. Dies erfolgt auf dem gesamten Teichboden einschließlich der Uferbereiche. Damit soll die Versickerungsfähigkeit und das ursprüngliche Speichervolumen des Teiches wiederhergestellt werden. Die Morphologie und Tiefe des Teiches werden im Vergleich zum ursprünglichen Zustand nicht maßgeblich verändert. Das Ergebnis kann man sich jetzt aber schon ausmalen. Siehe Welfenteich, Dammteich, Scheringteich.
Gerade am Pilzteich ließe sich exemplarisch ein Dorfteich als Lebensraum entwickeln, der gleichermaßen auch die Funktionen eines Regenauffang- und Versickerungsbeckens erfüllen kann.
Empfehlungen des Gutachters Sczamatolski
Welche Anforderungen sind an die Gestaltung und die Bewirtschaftung eines natürlicheren und v. a. auch belebten Parkgewässers und an seine Wasserqualität zu stellen? Da gibt uns schon ein vor 25 Jahren vom Bezirksamt Reinickendorf in Auftrag gegebenes Gutachten hilfreiche Empfehlungen:
1. Alle Teiche sind sollten ganzjährig mit Wasser versorgt sein, notfalls mit Leitungswasser.
2. Das von den Straßen zufließende, mit Reifenabrieb, Öl und anderen Schmutzstoffen belastete Regenwasser ist an allen Teichen vor dem Einlauf über einen Schlamm- und Sandfang - kombiniert mit einem Leichtflüssigkeitsabscheider – zu reinigen. Das Übel schlechter Wasserqualität wäre damit radikaler, also an der Wurzel angepackt als durch Entschlammen und Ausbaggern allein. Der Wirkungsgrad entsprechender technischer Einrichtungen ist heute auch weit höher als vor 25 Jahren.
3. Uferzonen sind zu gestalten und durch Zupflanzungen ökologisch zu bereichern. Auch Algen sowie untergetauchte und schwimmende Wasserpflanzen sollten mithelfen können, dass der Abbau noch belastender Stoffe durch aerobe Bakterien erfolgen kann. Bessere Saprobienstufen sollten sich auf diese Weise schon erreichen lassen, zwar nicht die der Reinwasserstufe, aber mit einer mittelverschmutzten - @-Mesosaprobienstufe - könnte man schon zufrieden sein. Über Uferzonen versickerndes Wasser dürfte auf diese Weise auch den Boden und das Grundwasser nicht mehr belasten.
4. Der ökologische Wert der kleinen Gewässer und ihre Entwicklungspotentiale wurden damals so hoch eingeschätzt, dass eine Unterschutzstellung nach dem Berliner Naturschutzgesetz vorgeschlagen wurde. V. a . für die westlichen Teiche Frohnaus war sogar eine Vernetzung der „ökologischen Trittsteine“ vorstellbar.
BWHG 2010 § 6 Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung
In Erfüllung der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft enthalten das Berliner Wassergesetz von 2005 und auch das BundesWasserHaushaltsGesetz von 2010 Auflagen für die Bewirtschaftung von Oberflächengewässern, die auch hier in Frohnau Beachtung finden sollten.
BWHG 2010 § 6 Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung:
(1) Die Gewässer sind nachhaltig zu bewirtschaften, insbesondere mit dem Ziel,
1. ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern, insbesondere durch Schutz vor nachteiligen Veränderungen von Gewässereigenschaften,
2. Beeinträchtigungen auch im Hinblick auf den Wasserhaushalt der direkt von den Gewässern abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete zu vermeiden und unvermeidbare, nicht nur geringfügige Beeinträchtigungen so weit wie möglich auszugleichen,
3. sie zum Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch im Interesse Einzelner zu nutzen,
4. bestehende oder künftige Nutzungsmöglichkeiten insbesondere für die öffentliche Wasserversorgung zu erhalten oder zu schaffen,
5. möglichen Folgen des Klimawandels vorzubeugen,
6. an oberirdischen Gewässern so weit wie möglich natürliche und schadlose Abflussverhältnisse zu gewährleisten und insbesondere durch Rückhaltung des Wassers in der Fläche der Entstehung von nachteiligen Hochwasserfolgen vorzubeugen,
7. zum Schutz der Meeresumwelt beizutragen.
Die nachhaltige Gewässerbewirtschaftung hat ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu gewährleisten; dabei sind mögliche Verlagerungen nachteiliger Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes sowie die Erfordernisse des Klimaschutzes zu berücksichtigen.
(2) Gewässer, die sich in einem natürlichen oder naturnahen Zustand befinden, sollen in diesem Zustand erhalten bleiben und nicht naturnah ausgebaute natürliche Gewässer sollen so weit wie möglich wieder in einen naturnahen Zustand zurückgeführt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen.
Das Hauptproblem
Doch bei allen Richtliniein und Gesetzen haben wir ein Hauptproblem: Ein 15 000 Jahre alter Pfuhl ist ein natürliches Gewässer, weil ein nacheiszeitliches Toteisloch. Ein 100 Jahre alter Parkteich wird als künstliches Gewässer deklariert, weil von Menschenhand in einer natür- lichen Senke angelegt. Hier sollen die Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes 2010 nicht gelten dürfen?
§ 90 Sanierung von Gewässerschäden
(1) Eine Schädigung eines Gewässers im Sinne des Umweltschadensgesetzes ist jeder Schaden mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf
1. den ökologischen oder chemischen Zustand eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers,
2. das ökologische Potenzial oder den chemischen Zustand eines künstlichen oder erheblich veränderten oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers oder
3. den chemischen oder mengenmäßigen Zustand des Grundwassers;
ausgenommen sind nachteilige Auswirkungen, für die § 31 Absatz 2, auch in Verbindung mit § 44 oder § 47 Absatz 3 Satz 1, gilt.
(2) Hat eine verantwortliche Person nach dem Umweltschadensgesetz eine Schädigung eines Gewässers verursacht, so trifft sie die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gemäß Anhang II Nummer 1 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden
(ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56), die durch die Richtlinie 2006/21/EG (ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 15) geändert worden ist.
(3) Weitergehende Vorschriften über Schädigungen oder sonstige Beeinträchtigungen von Gewässern und deren Sanierung bleiben unberührt.
Guter Wille zum Umdenken notwendig
Man muss heute fordern:
Das ökologische Potential von kleinen Gewässern in der Gartenstadt sollte erhalten oder sogar ver- bessert werden, auch wenn sie vor 100 Jahren in natürlichen Senken evtl. künstlich angelegt wurden. Dies ist jedoch nur zu erreichen, wenn nicht nur eine Funktion der Frohnauer Teiche - wie bei den Berliner Wasserbetrieben - im Focus ist. Entwickeln wir unsere Teiche zu Lebensräumen für Lebens- gemeinschaften und Lichtblicken in den kleinen Parks und richten wir sie nicht hin!
So könnte auch der Teich im Rosenanger wieder ein blaues Auge in einer grünen Fassung sein. Auch hier ist ein beispielgebendes Vorgehen angezeigt. Die Frohnauer Teiche haben einen herben Qualitätsverlust erlitten. Es ist Zeit zum Umdenken.