Girlitzmännchen - Foto: NABU/Olaf Rambow
Eine Oase der Artenvielfalt
Willkommen auf dem Naturlehrpfad St. Paul!
Auf dem Friedhof St. Paul ist die NABU-Bezirksgruppe Mitte-Tiergarten-Wedding seit mehreren Jahren aktiv. Unser Ziel ist es, den in Teilen nicht mehr für Bestattungen genutzten Friedhof als Lebensraum zu schützen und weiterzuentwickeln. Dieser Naturlehrpfad führt sie zu den interessantesten Stellen auf dem Friedhof St. Paul. Viel Spaß beim Entdecken und Erkunden!
Warum sind Friedhöfe so wichtig für die Artenvielfalt?
Friedhöfe sind wichtige Rückzugsgebiete für Tiere und Pflanzen. In der immer dichter bebauten Stadt stellen sie "Trittsteinbiotope" dar, das heißt, sie schaffen Verbindungen zwischen weit auseinanderliegenden Lebensräumen von Tier- und Pflanzenarten.
Gemessen an anderen Parks und Grünanlagen kommt es auf Friedhöfen zudem relativ selten zu Störungen – hier wird nicht gegrillt oder Ball gespielt, Hunde dürfen nicht von der Leine gelassen werden. Zudem weisen Friedhöfe eine Vielfalt von Strukturen auf: Offene, sonnige Flächen wechseln sich mit schattigen, fast waldartigen Partien ab. Neben dichten, oft immergrünen Hecken wachsen viele alte, ehrwürdige Bäume, deren Höhlen und Spalten gute Nist- und Versteckmöglichkeiten bieten.
Es ist also kein Wunder, dass die Berliner Friedhöfe eine große Artenvielfalt aufweisen. Hier brüten viele Vogelarten, und auch Säugetiere wie Fuchs, Eichhörnchen und Fledermäuse fühlen sich auf dem Friedhof wohl. An sonnigen Stellen lässt sich stellenweise eine erstaunliche Insektenvielfalt beobachten.
Welche Vögel brüten auf dem Friedhof?
Die NABU-Gruppe hat in mehreren Jahren auf dem Friedhof systematisch Brutvögel erfasst. Die letzte Brutvogelkartierung im Frühjahr 2019 ergab, dass auf dem Gelände mindestens 25 verschiedene Vogelarten brüten, darunter auch weniger häufige Arten wie Gartenrotschwanz, Mäusebussard, Girlitz und der Grauschnäpper.
Wie funktioniert eine Brutvogelkartierung?
Wenn man wissen möchte, welche Vogelarten in einem Gebiet vorkommen und darüber hinaus noch wie viele es von jeder Art sind, kann man sich an eine Revierkartierung versuchen.
Das ist mit einem gewissen Aufwand verbunden. Es bietet aber den Vorteil, dass es sich um ein standardisiertes Verfahren handelt und somit vergleichbare Ergebnisse liefert. So kann man dann das untersuchte Gebiet mit anderen Lebensräumen vergleichen.
Bei solch einer Revierkartierung geht man etwa wie folgt vor:
Man begeht das Gebiet in der Brutzeit im Frühjahr vier- bis fünfmal im Abstand von etwa zwei Wochen – möglichst am frühen Morgen, da die Vögel dann am aktivsten sind.
Dabei trägt man alle Vögel, die man sieht oder hört, in eine Karte ein. Für jede Vogelart gibt es eine festgelegte Abkürzung. Überdies versucht man, möglichst viele Zusatzinformationen zu notieren, für die es ebenfalls Kürzel gibt – etwa, ob der gesichtete Vogel ein Männchen oder ein Weibchen ist, ob er singt, Nahrung trägt oder an einem Nest zu sehen ist.
Nach den Begehungen hat man dann vier bis fünf solcher, recht verwirrend aussehender „Tageskarten“.
Dann beginnt die Schreibtischarbeit: Für jede Vogelart wird nun eine eigene Karte angelegt, indem man die Beobachtungen aus den „Tageskarten“ für jeweils eine Art in die neue „Artkarte“ überträgt. Für die unterschiedlichen Begehungen benutzt man zur Unterscheidung unterschiedliche Farben. Dann hat man für jede Vogelart eine „Artkarte“, wie hier zum Beispiel für die Mönchsgrasmücke.
Wenn man – wie hier – Glück hat, kristallisieren sich Häufungspunkte heraus, an denen eine Art regelmäßig anzutreffen war, dabei gesungen, also ihr Revier markiert, oder Futter für die Jungen getragen hat. Dann lässt sich mit einer gewissen Sicherheit sagen, dass an dieser Stelle ein Brutrevier existiert.
Diese lassen sich dann markieren und auszählen, wie hier wieder bei der Mönchsgrasmücke. In diesem Fall kommt man auf sieben Reviere.
Es können aber auch Artkarten entstehen, die mehr Kopfzerbrechen bereiten, da sich Häufungspunkte nicht so deutlich hervorheben und die Bestimmung der Revierzahlen dann mit einer größeren Unsicherheit verbunden ist. Das ist aber immer noch besser, als nur sagen zu können, dass „viele“ oder „wenige“ Vögel einer Art in dem Gebiet zu finden sind.
Unsere erste Kartierung haben wir im Jahr 2016 gemacht, weitere folgten 2017 und 2019.
2017 konnten wir zum Beispiel 23 Brutvogelarten nachweisen und haben dazu die folgenden Revieranzahlen festgestellt:
Vogelart | Reviere | Abundanz (Reviere/10 Hektar) | Dominanz (100*(Rev./Sum Rev.)) |
---|---|---|---|
Amsel | 6 | 15,8 | 8,2 | Blaumeise | 6 | 15,8 | 8,2 | Buchfink | 5 | 13,2 | 6,8 | Buntspecht | 2 | 3,7 | 2,7 | Eichelhäher | 1 | 2,6 | 1,4 | Gartenbaumläufer | 1 | 2,6 | 1,4 | Gartenrotschwanz | 2 | 3,7 | 2,7 | Girlitz | 3 | 7,9 | 4,1 | Grünfink | 2 | 3,7 | 2,7 | Haubenmeise | 1 | 2,6 | 1,4 | Heckenbraunelle | 3 | 7,9 | 4,1 | Kernbeißer | 1 | 2,6 | 1,4 | Kleiber | 2 | 3,7 | 2,7 | Kohlmeise | 5 | 13,2 | 6,8 | Mönchsgrasmücke | 4 | 10,5 | 5,5 | Nachtigall | 1 | 2,6 | 1,4 | Nebelkrähe | 1 | 2,6 | 1,4 | Ringeltaube | 3 | 7,9 | 4,1 | Rotkehlchen | 3 | 7,9 | 4,1 | Singdrossel | 4 | 10,5 | 5,5 | Star | 9 | 23,7 | 12,4 | Zaunkönig | 4 | 10,5 | 5,5 | Zilpzalp | 4 | 10,5 | 5,5 |