Unbearbeitete Friedhofswiese - Foto: Ronald Kroth
Lebensraum Wiese
Ein Ort für Pflanzen und Tiere gleichermaßen
Artenreiche Wildblumenwiesen – ebenso wie Weiden – sind durch landwirtschaftliche Grünlandnutzung entstanden. Wiesen müssen gemäht und Weiden von Nutztieren abgegrast werden. Ohne menschliche Eingriffe würden Wiesen und Weiden nach und nach von Gehölzen und Bäumen besiedelt und verschwinden.
Natürliches Grünland gibt es nur dort, wo aufgrund des Klimas oder der Bodenverhältnisse keine Bäume wachsen können. Beispiele sind die alpinen Matten im Hochgebirge oder die Salzwiesen an der Küste.
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Mähwiesen extensiv genutzt. Sie wurden ein- bis zweimal im Jahr gemäht und nicht oder wenig gedüngt. So entstand das Ökosystem Wiese mit seiner vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt. Zwar verlieren die tierischen Bewohner durch die Mahd vorübergehend ihren Lebensraum, einige sterben sogar. Viele haben sich jedoch an diesen Zyklus angepasst und überdauern als Ei oder Larve im Boden.
Durch die Intensivierung der Landwirtschaft und den Zwang zur Ertragssteigerung durch häufiges Mähen und Düngen sind die meisten Wiesen sehr artenarm geworden oder ganz verschwunden. Es dominieren Fettwiesen, in denen nichts mehr blüht außer Löwenzahn, Klee und Gänseblümchen.
Artenvielfalt in der extensiv genutzten Wiese
Eine Wiese besteht aus krautigen Pflanzen, unter denen Gräser dominieren und blühende, meist mehrjährige Wildkräuter bis zu 30 Prozent der Vegetation ausmachen können. Je nährstoffärmer und trockener ein Standort ist, umso mehr Arten können gedeihen. Rund 40 Prozent der gefährdeten Pflanzen wachsen auf solchen Wiesen.
Die Wiesenvegetation zieht eine Vielzahl von Tieren an, vor allem Insekten und Spinnen, aber auch Säugetiere, Vögel und Schnecken. Es gibt zum Teil enge Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen Pflanzen und Insekten. So sind Schmetterlinge und deren Raupen auf bestimmte Pflanzen spezialisiert. Von den zeitlich gestaffelten Blühabfolgen der Wiesenpflanzen profitieren alle Insekten.
Dieses vielfältige Leben in der Wiese bietet Nahrung für insektenfressende Vögel wie Drosseln und Stare sowie zum Beispiel Grünfinken und Stieglitze, die sich von Samen ernähren.
Wiesenbrüter – vom Aussterben bedroht
Schwer haben es die auf Wiesen und Weiden brütenden Vogelarten, die zumeist auf feuchte Standorte angewiesen sind – ein besonders selten gewordener Lebensraum. Durch die frühe und häufige Mahd gelingt es ihnen nicht mehr, Eier auszubrüten und Küken aufzuziehen. Von den neun in Deutschland noch brütenden Wiesenbrütern stehen acht auf der Roten Liste: Bekassine, Brachvogel, Uferschnepfe, Rotschenkel und Wachtelkönig sind vom Aussterben bedroht. Kiebitz, Braunkehlchen und Wiesenpieper gelten als stark gefährdet. Die Grauammer steht bereits auf der Vorwarnliste.
Die „Stockwerke“ der Wiese
Die Schichten einer Wiese unterscheiden sich hinsichtlich Feuchtigkeit, Licht, Temperatur und Windverhältnissen und werden von jeweils unterschiedlichen Lebewesen bewohnt.
In der Wurzelschicht leben Regen- und Fadenwürmer. Von diesen wiederum ernährt sich der Maulwurf. Mäuse bauen ihre Nester im Boden, die dann später von Völkern der Erd- und Steinhummel bewohnt werden. Viele Insekten verbringen ihr Larvenstadium im Boden.
Die Streuschicht besteht überwiegend aus abgestorbenen Pflanzenteilen, von denen sich Asseln und Tausendfüßler ernähren. Hier leben auch Schnecken, Ameisen, Spinnen und räuberische Laufkäfer.
Die Krautschicht besteht aus Stängeln und Blättern und bietet Lebensraum für blattfressende Heuschrecken, Blattkäfer, Schmetterlingsraupen, Spinnen, Blattläuse und Zikaden.
Die Blütenschicht suchen flugfähige Insekten wie Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen, Bock- und Rosenkäfer auf, die sich von Pollen und Nektar ernähren. Auf den Blüten lauern Krabbenspinnen und Weichkäfer auf Beute.
Wildblumenwiesen im Siedlungsraum
Seit das Insektensterben in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist, sind zahlreiche Initiativen entstanden mit dem Ziel, durch das Anlegen von Wildblumenwiesen auf öffentlichen Grünflächen den Insekten ein Stück Lebensraum zurückzugeben. In Berlin hat die Deutsche Wildtierstiftung in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz das Pilotprojekt „Mehr Bienen für Berlin – Berlin blüht auf“ angeschoben und mittlerweile in allen Bezirken Blühflächen angelegt, unter anderem in unmittelbarer Nachbarschaft zum Friedhof St. Paul auf der sogenannten „Catcherwiese“ im Volkspark Rehberge.
Die Wiese auf St. Paul
Bei der Anlage der Friedhofswiese ist regionales Saatgut mit einem hohen Anteil an Wildkräutern verwendet worden. Dabei wurde die vorhandene Vegetation nicht komplett entfernt. Es wurden nur einige „Wiesenfenster“ freigelegt und zur Aussaat benutzt. Von dort aus sollen sich die Pflanzen selbstständig durch Selbstaussaat verbreiten. Erste Erfolge haben sich bereits eingestellt.
Bei der Pflege achten wir auf die richtige Mähtechnik: Die üblichen Kreiselmäher würden alles Leben in der Wiese zerhäckseln. Deshalb greifen wir zur Sense.
Auf größeren Wiesen sollte ein Balkenmäher zum Einsatz kommen. Die Schnitthöhe soll mindestens 10 Zentimeter betragen und das Schnittgut darf nicht auf der Fläche liegenbleiben. Idealerweise soll eine solche Wiese in Abschnitten mit zeitlichem Abstand gemäht werden, um den Tieren einen Rückzugsort zu lassen.
Wie die Wildblumenwiese auf dem Friedhof St. Paul entstand