Mehlschwalbe
Kulturfolger mit weißem Bürzel
Merkmale
Die Mehlschwalbe (Delichon urbica) ist neben der Rauch-, Ufer- und Felsenschwalbe eine der vier in Mitteleuropa vorkommenden Arten aus der Familie der Schwalben. Der auf der Oberseite bis auf die braunen Flügel blauschwarz und an der Unterseite reinweiß gefiederte Vogel ist insbesondere aufgrund seines charakteristischen und kontrastreichen weißen Bürzels, den keine andere europäische Schwalbenart aufweist, gut zu identifizieren. Auch ist er der einzige, der weiß befiederte Beine und Füße aufweist.
Die durchschnittlich 13 cm messenden und bis zu 25 g wiegenden Weibchen und Männchen der Mehlschwalbe unterscheiden sich äußerlich nicht voneinander. Frisch geschlüpfte Tiere sind grauweiß gefärbt, ältere Jungvögel weisen eine eher bräunlich-schwarze Oberseite auf und ihr Bürzel ist noch grau.
Im Vergleich zur zweiten in Deutschland häufiger vertretenen Schwalbenart, der Rauchschwalbe, ist die Mehlschwalbe etwas kleiner, der Schwanz nicht so stark gegabelt sowie Schnabel und Flügel ein wenig kürzer. Die Rauchschwalbe ist zudem durch eine kastanienrote Kehle und Stirn gekennzeichnet.
Verbreitung
Die Mehlschwalbe ist mit Ausnahme von Island und dem äußersten Norden Skandinaviens über fast ganz Europa verbreitet. In Asien erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet östlich weiter bis in die Mongolei. Als Zugvogel ist die Art in Deutschland nur von April bis Ende September während der Brutzeit anzutreffen, bevor die Vögel zum Überwintern in ihre afrikanischen Winterquartiere südlich der Sahara fliegen. Hierbei legt die Art als Langstreckenzieher Distanzen von mehr als 10.000 km zurück. Die ostasiatischen Artgenossen verbringen die Wintermonate im Nordosten Indiens, im südlichen China und in Südostasien.
Lebensraum
Der ursprünglich typische Lebensraum der Mehlschwalbe sind Felslandschaften, bevorzugt in der Nähe von Gewässern. Brutplätze in felsigen Steilküsten oder senkrechten Felswänden sind heutzutage allerdings vor allem im mitteleuropäischen Verbreitungsgebiet nur noch sehr selten vorzufinden. Als Kulturfolger hat sich die Art inzwischen so stark an eine vom Menschen geprägte Umgebung angepasst, dass sie bei uns fast ausschließlich im menschlichen Siedlungsbereich anzutreffen ist. Ihre Nester baut sie hier als sogenannter „Gebäudebrüter“ bevorzugt an Hauswände, Brücken und Ställe. Brutplätze der Mehlschwalbe an natürlichen Stellen findet man gegenwärtig noch in den Fels- und Erdwänden der Küstenklippen auf Rügen oder in höher gelegenen Gebieten, wie z.B. den Alpen und dem Himalaya und Gebirgslagen von bis zu 4600 m.
Sowohl in den Brut- als auch in den Überwinterungsgebieten bevorzugt die Mehlschwalbe offene Landschaften, da ihr eine freie Fläche mit weniger Vegetation die Jagd nach Insekten und die Nahrungsaufnahme erleichtert. Darüber hinaus wird in den Brutgebieten für notwendiges Nistmaterial auch die Nähe größerer Gewässer benötigt.
Lebensweise & Fortpflanzung
Mehlschwalben nisten meist in Kolonien aus 4 bis 5 Nestern an den Außenseiten von Gebäuden. Es werden gewöhnlich rauere Wände unter geschützten Dachvorsprüngen gewählt, an denen die Lehmnester besser haften bleiben. Innerhalb von gut 2 Wochen bauen die Weibchen und Männchen gemeinsam kunstvolle, halbkugelige, fast völlig geschlossene Nester aus feuchten, lehmhaltigen Erdklumpen und anderem bindigen Material, das an den Rändern von Feuchtgebieten, Teichen und Pfützen aufgenommen wird. In Siedlungsgebieten wird entsprechendes Material gelegentlich auch aus Dachrinnen gesammelt. Die Nester werden mit Halmen und Federn ausgepolstert und bis auf ein kleines, nach oben ausgerichtetes Einflugloch komplett zugebaut. Dies ist insofern von Bedeutung, da entstehende Mehlschwalbennester auch gerne von anderen Vogelarten, insbesondere dem Haussperling zum Nisten in Beschlag genommen werden. Der etwas größere und kräftiger gebaute Haussperling wird durch diese schmale Öffnung vom Einflug ausgeschlossen.
Die Brutzeit liegt in den Monaten April bis August. In der Regel brüten die Mehlschwalben in diesem Zeitraum ein- bis zweimal, in seltenen Fällen gibt es vor allem in südlicheren Brutgebieten sogar 3 Jahresbruten. Es werden meist 4 bis 5 Eier gelegt und um die 15 Tage von beiden Elternvögeln bebrütet. Etwa 30 Tage lang dauert die Nestlingszeit. Nach Verlassen des Nestes bleiben die Jungvögel bis zur Selbständigkeit, in der Regel ungefähr eine Woche, noch in der Nähe und werden weiterhin von den Altvögeln mit Futter versorgt.
Die Mehlschwalbe gilt als sehr standorttreu, vorjährige Nester werden gerne erneut benutzt bzw. ausgebessert. Einjährige Vögel kehren bevorzugt an ihren Geburtsort zurück.
Das steht auf dem Speiseplan
Die Mehlschwalbe ernährt sich fast ausschließlich von Insekten, die sie im Flug erjagt. Zu ihrer bevorzugten Beute zählen vor allem kleinere Insekten wie Mücken, Fliegen und Blattläuse, aber auch Schmetterlinge, Käfer, Wasserinsekten und Webspinnen.
Die Mehlschwalbe fängt die fliegenden Insekten mit dem Schnabel meist mit einer schnellen Flugbewegung von unten kommend. Die aufgenommene Nahrung wird entweder unmittelbar verspeist oder im Kehlsack, bei größeren und langflügigen Insekten wie Eintagsfliege und Schmetterling auch direkt im Schnabel, zu den Jungtieren im Nest transportiert und dort eingespeichelt verfüttert.
Mehlschwalben entfernen sich während der Nestlingsdauer zur Jagd in der Regel nicht weiter als zwei Kilometer vom Nest.
Gefährdung & Schutzstatus
Die Mehlschwalbe gilt wie alle Gebäudebrüter (ebenso Rauchschwalbe, Mauersegler, Haussperling) in Deutschland gemäß der Bundesartenschutzverordnung des Bundesnaturschutzgesetzes als besonders geschützte Art, deren Nester nicht beschädigt oder gar zerstört werden dürfen. Da Mehlschwalben ihre Niststätten jedes Jahr erneut aufsuchen, sind diese auch ganzjährig geschützt. Seit 2002 steht die Mehlschwalbe auf der Vorwarnliste für bedrohte Vogelarten in Deutschland. Die letzte Fassung der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands aus dem Jahr 2015 stuft die Art als gefährdet in die Kategorie 3 ein.
Zwar zählt die Mehlschwalbe in Mitteluropa mit einem Gesamtbestand von mindestens 10 Millionen Brutpaaren noch zu den häufigsten Vogelarten, doch ist ihr Vorkommen in den meisten Regionen kontinuierlich im Rückgang begriffen. So ist in Berlin der Bestand der Mehlschwalbe in den letzten 20 Jahren um ca. ein Drittel zurückgegangen. Hauptursachen für die Abnahme sind in erster Linie der Mangel an Brutmöglichkeiten, Nestbaumaterial und Nahrung. Neben der Intensivierung der Landwirtschaft und dem Rückgang an Insektennahrung zeigen sich insbesondere die Veränderungen im Siedlungsbereich für den negativen Trend verantwortlich: So finden die Schwalben durch fortschreitende Modernisierungsmaßnahmen an den heutzutage meist glatten Fassaden der Neubauten ohne schützenden Dachvorsprung für ihre Nester keinen ausreichenden Halt mehr. Des Weiteren werden bereits existierende Brutstätten bei Sanierungsmaßnahmen oder aus mangelnder Duldung leider noch zu oft ohne Schaffung von Ersatznistgelegenheiten beseitigt. Gleichzeitig finden die Mehlschwalben aufgrund der starken Zunahme an bebauten und versiegelten Flächen sowie mancherorts in Folge von klimatisch bedingter Trockenheit immer weniger brauchbares Nistmaterial. Negative Einflüsse auf die Bestände der Mehlschwalben, wie die Jagd und der Einsatz von Pestiziden in ihren Rast- und Überwinterungsgebieten sind ebenfalls bekannt, allerdings noch nicht ausreichend belegt. Hier sind weitergehende Analysen über die Ursachen der dortigen Bestandsverluste für wirksame Schutzmaßnahmen dringend notwendig.
Die Feinde der Mehlschwalbe
Neben dem Menschen, der vor allem im Zuge von Bau- und Sanierungsmaßnahmen der Mehlschwalbe achtlos oder gar absichtlich schadet, gibt es auch im Tierreich natürliche Feinde. Hierzu zählen u.a. die Schleiereule, der Sperber und einige Falkenarten, wie der Wander- und der Baumfalke. Während die Schleiereule die Jungtiere meist nachts aus dem Nest holt, erbeutet der Falke die Schwalben auch am Tag.
Neben den oben bereits genannten Haussperlingen besetzen zuweilen auch andere Vogelarten, wie z.B. Blau- und Kohlmeise, Garten- und Hausrotschwanz, Feld- und Weidensperling, Zaunkönig und Haustaube, die Nester der Mehlschwalbe.
Darüber hinaus können Mehlschwalben von diversen Parasiten wie Band- und Fadenwürmern, Flöhen und Milben sowie der Schwalbenwanze befallen werden.
Schutzmaßnahmen
Eigentlich ist es recht einfach, Mehlschwalben zu helfen und zur Bestandsverbesserung beizutragen. So können künstliche Nester an Hausfassaden angebracht werden. Diese werden von Mehlschwalben in der Regel sehr gerne angenommen, vorausgesetzt in der weiteren Umgebung nisten bereits Artgenossen. Kunstnester sind auch dann erforderlich, wenn unumgängliche Baumaßnahmen wie notwendige Sanierungen, Reparaturen, Wärmedämmungen einen Antrag auf Befreiung von den Verboten des Bundesnaturschutzgesetzes erlauben.
Hier erteilen die Naturschutzbehörden die Befreiung nur mit Auflagen zum Erhalt oder Ersatz von Lebens- und Niststätten. Ohne Befreiung oder bei Nichtbeachtung der Schutzvorschriften droht ein Baustopp. Aufwand und Kosten bei der Schaffung von Ersatznistgelegenheiten sind hingegen oft sehr gering, wenn der Artenschutz von vornherein bei der Fassadenerneuerung oder dem Dachausbau berücksichtigt wird. Rauputzstreifen an der Fassade, das Errichten eines Schwalbenhauses sowie das Anlegen von Lehmpfützen als Nestbauhilfe in der Nähe sind als zusätzliche Hilfsmaßnahmen sinnvolle Ergänzungen.
Eine bessere Aufklärung in der Bevölkerung bezüglich Schutz und Duldung von Schwalbennestern ist ebenso notwendig, einer mutwilligen Zerstörung von Niststätten kann so entgegengewirkt werden. Bereits ein einfaches Brett waagerecht unterhalb der Nester angebracht verhindert „Verschmutzungen“ von Fassaden. Damit potentielle Nesträuber die Schwalbennester nicht erreichen können, sollten solche Bretter jedoch mindestens 50 cm darunter befestigt werden.
Mit der Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ zeichnet der NABU Berlin Schwalbenfreunde aus, die ihnen einen Lebensraum bieten und Brutplätze erhalten oder schaffen (siehe Foto).
Bewerben Sie sich bei unserer Aktion und erhalten Sie eine der begehrten Plaketten! So kann die Aufmerksamkeit über die Bedeutung des Schwalbenschutzes in der Bevölkerung gesteigert werden.
Mehlschwalbe (Delichon urbicum) in Berlin
- Bestand in Berlin: 3.500 - 4.500 Brutpaare/Revier
- Häufigkeitsklasse: häufig
- Einstufung in der Roter Liste: ungefährdet
(Quelle: Rote Liste und Liste der Brutvögel (Aves) von Berlin; Klaus Witt und Klemens Steiof; Stand November 2013)