Bestechende Untermieter
Wie der NABU bei Bienen- und Wespenproblemen hilft
Im Herbst sind die Wespen zumeist Geschichte; nicht jedoch der Ärger und die Kosten, die sie so manchem im Spätsommer machten. In Betriebskostenabrechnungen taucht die Position „Schädlingsbekämpfung“ regelmäßig auf, doch über die Notwendigkeit der „Schädlingsbekämpfung“ wird oft nicht weiter nachgedacht. Fast automatisch lassen Wespennester die Stadtbewohner zum Telefon greifen, denn „darum muss sich doch jemand kümmern“. "Allerweltswespen" wie die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe stehen unter Naturschutz, doch Hummeln und Wildbienen sind nach der Bundesartenschutzverordnung noch strenger geschützt. Eine Nestumsiedlung aus wichtigem Grund darf nur durch sach- und fachkundige Personen erfolgen und muss zuvor genehmigt werden. Sind Hornissennester in Rollladenkästen oder Wildbienenkolonien in einen Neubau eingezogen, entscheidet also die Artenschutzbehörde über Anträge auf Ausnahmegenehmigung zur Beseitigung solcher Nester.
Schwarm drüber?
Die Vielzahl an Fallkonstellationen macht jedoch Einzelfallentscheidungen notwendig, wie sie eine chronisch überlastete Behörde praktisch nicht treffen kann, zumal es grundsätzlich auch möglich ist, Nester von Hornissen und Hummeln umzusiedeln und so nesterhaltend manche Probleme gelöst werden können. Doch das braucht Zeit und Geduld.
Abtötung oft billiger
Die Betroffenen sind oft hilflos und unerfahren im Umgang mit ihren zeitweiligen Untermietern. Wenn schnelle Hilfe gefragt ist, wird häufig der Kammerjäger gerufen. Für die Abtötung von Wespen benötigt er zwar keine Genehmigung, er muss aber einen "vernünftigen Grund" vorweisen können. Tatsächlich haben Schädlingsbekämpfer aber nur in wenigen Fällen einen klaren Handlungsauftrag, beispielsweise in der Lebensmittelproduktion, wo Wespen nichts zu suchen haben. In der Realität ist schnell ein "vernünftiger Grund" gefunden und Völker werden regelmäßig und unnötig vernichtet. Zudem ist der Aufwand, den ein Schädlingsbekämpfer für eine insektenfreundliche Umsiedlung hat, mit 250 bis 350 Euro weitaus teurer als eine Abtötung. Die insektenfreundlichere Alternative kommt insbesondere für Nestbesitzer mit kleinem Geldbeutel oftmals nicht in Frage.
Ausnahmegenehmigung und Abwägung
Die Ausnahmegenehmigung
In Berlin entscheidet die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz über das Schicksal von ganzen Völkern. Hummelvölker in der Wärmedämmung, Hornissennester in Rollladenkästen und Wildbienenkolonien im Baubereich eines geplanten Radweges sind typische Sommeraufgaben der Abteilung Artenschutz, bei der die Anträge auf Ausnahmegenehmigung zur Beseitigung solcher Nester auflaufen. Für die Beseitigung von Nestern von Arten, die im Anhang I der Bundesartenschutzverordnung stehen, muss ein „vernünftiger Grund“ vorgelegt werden. Allerdings ist dieser nicht eindeutig definiert.
Abwägungssache
Während Nester an Wegen von Pflege- und Behinderteneinrichtungen nachvollziehbar kritisch sind, ist das an Schulen und Kitas schon schwieriger. Sollte man Kindern nicht den Umgang mit diesen bestechenden Mitbewohnern lehren, anstatt sie einfach vorsorglich abzutöten? Müssen Baumaßnahmen grundsätzlich Vorrang haben? Können Gehölzrodungen auch zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden, wenn sie nicht zur unmittelbaren Schadensabwehr dienen? Ist es Menschen zuzumuten, sich einen Sommer lang einzuschränken und auf den Geräteschuppen zu verzichten oder gar den Hintereingang zu nutzen?
Beratung statt Behördenantrag
Berlinerinnen und Berliner haben in Fragen zu Hummeln, Wespen und Co. bisher auf die Fachgruppe Hymenopterenschutz des NABU Berlin zurückgreifen können. Durch über 2.500 telefonische Beratungen, Vor-Ort-Besuche und Umsiedlungen verhindert werden, dass Völker abgetötet wurden.
Diese "Dienstleistung" ist nur Dank der Einzelfallpauschalen der Behörden für den Betroffenen günstig bis umsonst, während die Berater*innen eine Aufwandsentschädigung für die Anfahrt erhalten. Da weder Gutachten noch telefonische Beratungen oder der Verwaltungsaufwand des NABU in den Fallpauschalen berücksichtigt wurden, konnte das ehrenamtliche Team bisher nur in Abhängigkeit von persönlichem Einsatz und Zeitbudget auf den großen Beratungsbedarf reagieren. Unübersehbar ist der Bauboom der Stadt eine Herausforderung an den Artenschutz. Es werden noch viele Umsiedlungen zu erwarten sein.
Der neue Hymenopterendienst
Im Rahmen der "Berliner Bienenstrategie" erhält der bestehende ehrenamtliche Hymenopterendienst des NABU Berlin zukünftig eine solide Finanzbasis.
Mit diesem neuen Projekt ist der Weg für weitere Präventionsangebote durch Aufklärungsarbeit, spezielle Ausbildungen, Aufklärungsmaterialien sowie Umweltbildungsangebote für Kitas und Schulen geebnet. Zudem soll eine Datenbank aufgebaut werden, in der sich Umsiedler*innen, aber auch nestaufnehmende Stellen wie Privatgartenbesitzer*innen und Umweltbildungseinrichtungen eintragen können. Auf diese Weise sollen Nesttransportwege bei den Umsiedlungen und die Suche nach Ansprechpartner*innen verkürzt werden. Unterstützt durch einen Teilnehmer des Freiwilligen Ökologischen Jahrs wird es so nicht nur feste Beratungszeiten geben, sondern auch verbindliche, kurzfristig verfügbare Kräfte. Bis Ende 2020 soll der neue Hymenopterendienst auf Projektbasis laufen und dann hoffentlich darüber hinaus verlängert werden.
Vor dem Hintergrund der „wachsenden Stadt“ und vieler Projekte, die die Insektenvielfalt hoffentlich fördern, werden auch die Konflikte wachsen, die eine Mediation benötigen. Der Hymenopterendienst des NABU Berlin wird für eine friedliche Nachbarschaft werben.
Text: Dr. Melanie von Orlow. Der Artikel ist in der Natur in Berlin, Ausgabe 4/2019 erschienen.