„Blutsauger“-Image unverdient
Warum Fledermäuse faszinierende und schützenswerte Tiere sind
Seitdem Halloween in Deutschland angekommen ist, wird sich in den Tagen rund um den 31. Oktober auf Knopfdruck gegruselt. Es werden Kürbis-Fratzen geschnitzt, Totenköpfe ins Gesicht geschminkt und Rezepte zu Ekel-Snacks wie abgehackte Finger oder Gedärme ausprobiert. Auch oft im Grusel-Repertoire vertreten ist die Fledermaus als Symbol des Vampires aus der Unterwelt. Mit ihren spitzen Zähnen und ihrer Aktivität im Dunklen wird sie als blutrünstig und bedrohlich für Menschen inszeniert.
Fledermäuse werden durch solche Bilder von vielen Menschen als furchteinflößend und gefährlich wahrgenommen. Auch durch die Corona-Pandemie hat ihr Ruf gelitten, da heimische Arten zu Unrecht verdächtigt wurden, das Corona-Virus übertragen zu können. Dabei gibt es – ganz im Gegenteil zu Fake News und Gruselmythen – zahlreiche Gründe, warum Fledermäuse beeindruckend und schützenswert sind:
1. In Deutschland gibt es keine "Blutsauger".
Um zunächst mal mit dem Mythos aufzuräumen: In Deutschland lebende Fledermausarten saugen kein Blut, sondern ernähren sich ausschließlich von Insekten wie Schnaken, Mücken, Käfer oder Falter. Und das reichlich. Eine Wasserfledermaus kann pro Nacht schon mal rund 4.000 Insekten verzehren! Hier wird unter anderem Jagd auf tatsächlich blutsaugende Mücken gemacht. Die einzigen „Blutsauger“ unter den Fledermäusen sind Vampirfledermäuse, von denen es drei Arten gibt. Diese kommen ausschließlich in Lateinamerika vor und ernähren sich dort vom Blut der Wild- und Haustiere. Auch spannend: Der Speichel der Vampirfledermäuse hemmt die Blutgerinnung und wurde daher auch schon in der Medizin eingesetzt.
2. Ihr Winterschlaf ist spektakulär
Fledermäuse verschlafen etwa die Hälfte des Jahres, nämlich ganze fünf Monate. Sie suchen sich dafür kühle und feuchte, aber frostfreie Plätze. Die Tiere müssen sich vorher ein großes Fettdepot anfressen, um den kalten Winter zu überstehen. Während des Winterschlafes werden alle energieverbrauchenden Prozesse des Körpers gedrosselt: Die Körpertemperatur sinkt auf 3-5°C und Herzschlag und Atmung werden herabgesetzt. Fledermäuse können im Winterschlaf bis zu 90 Minuten ohne Atmung leben – das ist ein ganzes Fußballspiel lang! Der Herzschlag eines Großen Mausohrs pumpt im Winterschlaf nur 18-80 Schläge pro Minute. Zum Vergleich: Im Jagdflug schlägt das Herz einer Zwergfledermaus ca. 1.100 Mal pro Minute. Ab etwa März erwachen die Tiere aus ihrem Winterschlaf und machen sich auf in ihre Sommerquartiere, Weibchen und Männchen getrennt. Schon vor dem Winterschlaf hatten die Fledermäuse sich gepaart und die Spermien haben im Geschlechtstrakt des Weibchens die lange Winterzeit überdauert. Erst im Frühjahr werden die Eizellen dann befruchtet, dann, wenn die Tiere bereits voneinander getrennt sind.
3. Sie sind sehr sozial.
Fledermäuse sind soziale Tiere. Sie betreiben Fellpflege und teilen ihre Nahrung. Um ihre Jungen zu gebären und aufzuziehen, schließen sich die Fledermausweibchen in einer Art Wochenstubengesellschaft zusammen. Wie viele hängt von der Art ab: Während sich bei Breitflügelfledermaus zwischen 10 und 60 Tiere aneinander kuscheln, können es bei der Zwergfledermäusen schon bis zu 100 werden. Beim Großen Mausohr wurden allerdings schon mehrere tausend Weibchen in einem Quartier gezählt! Auch Männergesellschaften gibt es bei manchen Arten. Die Kuschelei hört dann spätestens dann auf, wenn es um die die Werbung eines Weibchens geht.
4. Sie sind in Berlin Spitzenreiter.
Berlin ist Fledermaushauptstadt! Hier kommen 18 Arten vor, so viele wie in keiner anderen mitteleuropäischen Großstadt. Rund 10 Arten davon verbringen hier sogar den Winter. Die häufigsten Kurvenkratzer sind Zwergfledermaus, Breitflügelfledermaus und der Große Abendsegler. In der Zitadelle Spandau ist ein Winterquartier, das rund 11.000 Tiere beherbergt. Zurzeit kann man die Fledermäuse in der Zitadelle wunderbar dabei beobachten, wie sie sich in dem Winterquartier zusammenfinden, balzen und sich paaren. Manche Tiere haben sehr weite Strecken hinter sich gebracht, um hier im Winterquartier zu sein. Wer das live miterleben will, findet die Termine zu Fledermausführungen hier: https://www.bat-ev.de/index.php/fuehrungen/fuehrungen-fuer-jedermann
5. Sie sind bedroht.
Und nun zum wichtigsten Punkt: Viele Fledermausarten sind stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Warum? Die Fledermausarten haben viele verschiedene Lebensraum- und Nahrungsansprüche. Durch intensive Forst- und Landwirtschaft ist die Verfügbarkeit von Lebensräumen und Nahrung auf dem Land immer mehr geschrumpft. Auch Windkraftanlagen werden für manche Arten wie den Großen Abendsegler oder die Rauhautfledermaus zunehmend zum Problem. Andere, baumbewohnende Fledermausarten, brauchen zwingend Baumhöhlen zum Leben und können nicht ausweichen. Einige Arten konnten sich an den Menschen anpassen und besiedeln Spalten oder Hohlräume von Gebäuden, zum Beispiel auf Dachböden, hinter Fensterläden und zwischen Dachziegeln. Diese Arten leiden jedoch unter zunehmendem Quartiersverlust durch Sanierungen und Abrisse. Durch den Wegfall von Brachen und anderen Grünflächen im Zuge der Flächenverdichtung im besiedelten Raum stehen den fliegenden Säugetieren in Berlin immer weniger günstige Nahrungshabitate zur Verfügung. Ihre Leibspeise, die Insekten, nehmen auf den ökologisch verarmten Grünflächen ebenfalls drastisch ab.
Es gäbe noch viele weitere Gründe, warum Fledermäuse keine furchteinflößenden, sondern faszinierende Tiere sind. Damit die Akrobaten der Lüfte uns erhalten bleiben, sollten wir sie – vor allem als Berliner*innen (siehe Punkt 4) – schätzen und schützen lernen. Das geht vor allem, indem ihre Nahrungsquelle, die Insekten, gefördert werden und mehr Lebensraum für die fliegenden Säugetiere zur Verfügung steht:
Nahrungsquellen fördern durch
- Bepflanzen von Hinterhöfen, Gärten und Balkons
- Anlegen eines Teiches
- Weniger „Aufräumen“ im Garten: Laub liegen lassen, weniger Mähen, Totholzhaufen errichten
Lebensraum schaffen
- Verstecke im Garten anlegen
- Aufhängen von Fledermauskästen
- Sanierungsmaßnahmen und Abrisse artenschutzrechtlich begleiten lassen
- Baumfällungen vermeiden/anzeigen
Der NABU Berlin findet: Fledermäuse haben ihr Grusel-Image nicht verdient! Wir setzen uns für den Schutz dieser einzigartigen Tiere ein, denn Berlin sollte unbedingt Fledermaushauptstadt Europas bleiben! Machen Sie mit?