Schöner Wohnen am Teufelsseekanal - auch noch für Biber und Co?
Senatsverwaltung gibt Bebauung von Luxusappartments im Biotopverbund frei
Der Teufelsseekanal, ein Seitenarm der Havel am Rande des FFH-Gebietes Spandauer Forst, wird bald Standort eines Großbauprojektes mit dem klangvollen Namen „HAVELMARINA-Berlin“ sein. Auf dem insgesamt 20.000 Quadratmeter umfassenden Areal sollen insgesamt 111 Einfamilienhäuser und 22 mietpreisgebundene Geschosswohnungen entstehen. Mondän klingende Straßennamen wie „HawaiTrinidad“- und „Galapagosweg“; die Aussicht auf „individuelles Wohnen direkt am Wasser“ soll die Kundschaft anlocken. Doch wie lange können Biber, Fischotter und Co. noch in den Genuss des „individuellen Wohnens“ kommen? Und, ist die „HAVELMARINA-Berlin“ tatsächlich ein Baustein zur Bekämpfung der Berliner Wohnungsnot?
Der Teufelsseekanal
Der Teufelsseekanal im Spandauer Ortsteil Hakenfelde, direkt an der Niederneuendorfer Allee, hat eine lange und ereignisreiche Geschichte. Einstmals angelegt, um das Kraftwerk Oberhavel über Jahrzehnte hinweg mit immer neuer Kohle am Laufen zu halten, diente es während der Deutschen Teilung als Grenz- und Zollübergang für den gewerblichen Güterverkehr. Nachdem im Jahr 2002 die Schlote des Kraftwerkes Oberhavel endgültig aufhörten zu dampfen, nahmen der Biber, und mit ihm viele andere Arten, die nun brachliegende Fläche in Beschlag – ein wertvoller Naturraum entstand. Dies erkannte auch die ehemalige Senatsverwaltung für Planen, Bauen und Wohnen und veranlasste im Jahr 2010, den Teufelsseekanal für den Schiffsverkehr zu schließen und die in das Wasser hineinragenden Bäume nicht zu beseitigen.
HAVELMARINA-Berlin
Das nächste Kapitel, das nun jedoch am Teufelsseekanal aufgeschlagen wird, könnte für viele Arten, darunter dem auf der „Roten Liste“ stehenden Biber sowie dem Eisvogel, eine ernsthafte Gefahr darstellen. Die Helma-Wohnungsbaugesellschaft plant entlang des Rustweges insgesamt 111 Einfamilienhäuser. In der ersten Bauphase sollen 35 individuell planbare Einfamilienhäuser zwischen 440-891 Quadratmeter gebaut werden. Zu einem späteren Zeitpunkt plant das Unternehmen, nach eigener Aussage, 22 mietpreisgebundene Geschosswohnungen. Eine Marina, auch bekannt als Yachthafen, braucht Bootsanleger. Aus diesem Grund entstehen an dem bislang aus Naturschutzgründen für den Schiffsverkehr geschlossenen Teufelsseekanal 49 Liegeplätze für Yachten und Sportboote.
Ausnahmegenehmigung zur vorzeitigen Bebauung
Um zügig mit dem Bauprojekt beginnen zu können, stellte die HELMA-Wohnungsbaugesellschaft einen „Antrag auf Zulassung des vorzeitigen Beginns der Gewässerbenutzung“ bei der SenUVK. Hintergrund des Antrages: Im Zeitraum vom 1.März -30.September sind keine Baumfällungen zulässig, womit sich der Baubeginn der HAVELMARINA um mehrere Monate nach hinten verschoben hätte. Daraufhin erteilte die SenUVK eine Ausnahmegenehmigung zur vorzeitigen Gewässerbenutzung, knüpfte dies aber an Auflagen wie Ersatzpflanzungen für die vor dem 1.März gefällten Bäume. Die erteilte Ausnahmegenehmigung begründete die SenUVK, indem auf „ein berechtigtes öffentliches Interesse“ nach §17 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) hingewiesen wurde und dies explizit mit dem mangelnden Wohnraum in Berlin verband. Zwar sollen laut Aussage der HELMA-Wohnungsbaugesellschaft 22 mietpreisgebundene Geschosswohnungen an der HAVELMARINA entstehen, doch auf dem überwiegenden Teil der Bebauungsfläche werden am Ende individuell planbare Einfamilienhäuser nebst dazugehörigen Garten und eigenem Bootsanleger stehen. Insbesondere der Verweise auf ein übergeordnetes „öffentliches Interesse“ muss auf Unverständnis stoßen, da es zum großen Teil Einfamilienhäuser sind, die an exponierter Lage entstehen und die Fällungen am Ufer ausschließlich für den Bau der Marina notwendig waren. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Form von 22 mietpreisgebundenen Geschosswohnungen gegenüber 111 Einfamilienhäusern ist auffällig niedrig veranschlagt. Hier wurde der Schaffung luxuriösen Wohnraumes in attraktiver Wasserlage offenbar Vorzug erteilt vor der Schaffung bezahlbaren Wohnraumes. Von der unnötigen Zerstörung kostbarem Naturraums ganz zu Schweigen.
Berliner Bürokratie
In einer, unter Mitwirkung des NABU-Berlin, von der „Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V.“(BLN) veröffentlichten Stellungnahme, nimmt die BLN kritisch Bezug zur erlassenen „Ausnahmegenehmigung nach der Baumschutzverordnung“ sowie „des vorzeitigen Beginns der Gewässerbenutzung“. Die BLN gibt unter anderem zu bedenken, dass die Fällungen nicht nur die Bäume selbst betreffen, sondern auch Habitate für Fischotter und Biber unwiederbringlich zerstört werden. Doch bereits einen Tag nach Abgabe der Stellungnahme waren alle Bäume bereits gefällt.
Im Rahmen einer eingereichten Umweltverträglichkeits-Vorprüfung kam die SenUVK zu dem Ergebnis, dass „im Einflussbereich des Vorhabens kein geschütztes Gebiet nach Bundesnaturschutzgebiet wie zum Beispiel Vogelschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate oder ähnliche nach § 30 BNatSchG geschützten Biotope liegen“- und das es somit auch „keine Vegetation sowie Habitate wertgebender Tier- und Pflanzenarten“ geben kann, die geschädigt werden können. Die Senatsverwaltung sah somit eine reguläre Umweltverträglichkeistprüfung (UVP) für nicht mehr notwendig an und verließ sich auf die Aussagen der UVP-Vorprüfung. Jedoch scheint die SenUVK selbst von der Nicht-Existenz des Fischotters und Bibers am Teufelsseekanal nicht vollends überzeugt zu sein, denn später wird in der erteilten Ausnahmegenehmigung der SenUVK hierzu erklärt: “dass die Habitate des Bibers und des Fischotters zwar betroffen seien“, dem aber durch die „Auflage einer ökologischen Fachbauleitung“ begegnet werden kann und das „erhebliche Beeinträchtigungen“ ausgeschlossen werden können. Doch war es nicht Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, heute SenUVK, selbst, die 2010 beschloss, den Teufelsseekanal gerade aufgrund der nachgewiesenen und bestätigten Existenz des Bibers und Fischotters für den Schiffsverkehr zu schließen und die Fällung alter Bäume strikt zu untersagen? Was ist also aus den selbst gesteckten Zielen der SenUVK zum Erhalt von Biotopen und Habitaten, insbesondere für streng geschützte Arten in Berlin geworden?
Biotop Teufelsseekanal
Die Bedeutung des Teufelsseekanals als wertgebendes Biotop steht für den NABU Berlin, und andere Naturschutzverbände, außer Zweifel, seine Wertigkeit ergibt sich auch aus diversen Strategiepapieren, Absichtserklärungen und Gesetzestexten, an der die SenUVK in vielen Fällen selbst federführend beteiligt war. Dass dem Biber eine besondere Rolle zu Teil wird, offenbart auch ein Blick auf eine von der Behörde zur Verfügung gestellten Karte zur „Zielartenverbreitung im Biotopverbund-Berlin“. Der Biotopverbund setzt sich aus Kernflächen, potentiellen Kernflächen, Verbindungsstrukturen und potentiellen Verbindungsstrukturen zusammen und gibt Auskunft über die Verbreitung aller vorhandenen Zielarten. Dem Berliner Biotopverbund gehören zur Zeit 34 Zielarten an, darunter auch der Biber. Dem Schutz der Zielarten sowie der Verbesserung ihrer Lebensräume wird, laut SenUVK, oberste Priorität eingeräumt. Durch sogenannte „Mitnahmeeffekte“, die für andere Arten durch die Anwesenheit von Zielarten entstehen, sind die im Biotopverbund enthaltenen Zielarten von besonderer Bedeutung und sollten demnach einen gesonderten Schutz genießen. Eine von der SenUVK im Rahmen des Landschaftsprogrammes (LaPro) veröffentlichte Karte illustriert, dass der südliche Bereich des Teufelsseekanals als Verbindungsstruktur, beziehungsweise Migrationskorridor, des Bibers angesehen wird und das nördliche Areal als potentielle Kernfläche. Auch hier wird also die Existenz des Bibers im Bereich des Teufelsseekanals bestätigt. Somit dient der Teufelsseekanal als wichtiger Migrations- und Verbindungskorridor des Bibers und verbindet das NATURA 2000-Gebiet Spandauer Forst, das gleichzeitig Flora-Fauna-Habitat (FFH) und SPA (Special Protected Area/Vogelschutzgebiet) ist, mit der Havel. Durch die Marina sind allerdings auch nächtliche Störungen in Form von Lärm, Lichtverschmutzung sowie dem zu erwartenden Yacht- und Sportbootverkehr zu erwarten. Der Teufelsseekanal bietet unter anderem 12 europarechtlich geschützten Fledermausarten, sowie dem Eisvogel, einen unverzichtbaren Lebensraum. Durch die massive Umgestaltung des Areales sowie die genehmigten Fällungen, wird dieser Lebensraum als Verbindungskorridor für die Fledermausarten und als Brutstätte für diverse Vogelarten zerstört.
Viele Strategiepapiere-Wenig Strategie?
In der von der SenUVK erarbeitenden „Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt“ heißt es unter „Ziel 1“: „Für ausgewählte Arten soll zudem eine Verbesserung der Bestandssituation herbeigeführt werden“. Ob das, durch die SenUVK, veranlasste Anbringen von Spundwänden entlang der Ufer-Südseite sowie dem Anlegen eines sieben Meter breiten Gewässerrandstreifens als geplanten Biotopverbundweg, für den Biber ausreicht, muss stark bezweifelt werden. Vielmehr schließt die SenUVK lediglich „erhebliche Beeinträchtigungen“ aus. Diese Formulierung steht dem selbst gesteckten Ziel der „Verbesserung der Bestandssituation“ und dem besonderen Schutz der im Biotopverbund enthaltenen Zielarten entgegen. Darüber hinaus verweist die SenUVK darauf, dass in dem zur Debatte stehenden Areal ohnehin „keine Vegetation sowie Habitate wertgebender Tier- und Pflanzenarten“ existieren. Diese Einschätzung der SenUVK widerspricht sowohl der Auffassung des NABU Berlin und anderer Naturschutzverbände als auch den Ergebnissen der faunistischen Gutachten zum Bebauungsplan (B-Plan) des Marinapark Oberhavel. Der NABU Berlin, sowie die anderen in der BLN zusammengefassten Naturschutzverbände, sehen den Teufelsseekanal als schützenswertes und wertgebendes Biotop und Habitat an und sahen sich gezwungen, Klage gegen den vorzeitigen Baubeginn einzureichen.
Berliner Zukunftsperspektiven
Mit Sorge verfolgt der NABU Berlin, dass die Bebauungspläne der Stadt Berlin sich zunehmend auf die Gebiete jenseits des Berliner S-Bahnringes verlagern. Grit Schade, Chefin der Wohnungsbauleitstelle der Stadtentwicklungsverwaltung, prognostiziert in der Berliner Morgenpost vom 15.10.2017, dass 80 Prozent der vom Senat bis 2030 als möglich erachteten Wohnungen außerhalb des S-Bahnringes entstehen könnten. Doch gerade in den Bezirken außerhalb des S-Bahnringes existieren wertvolle Naturräume, die in vielerlei Fällen dem Biotopverbund angehören oder als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind und schützenswerte Lebensräume für bedrohte Arten darstellen. Der NABU Berlin plädiert dafür, den Fokus auf die Innenstadtentwicklung zu legen aber gleichzeitig eine ausreichende Grünversorgung der Bewohner mit einzuplanen und durch Flächenrecycling, Nachverdichtung und kluge Nutzungskonzepte, bebaute und neu zu erschließende Flächen effizienter zu nutzen. Gerade die Außenbezirke der Stadt mit ihren Grünflächen, Biotopverbünden und Naturschutzgebieten sind ein schützenswerter Lebensraum für die Flora und Fauna sowie für viele bedrohte Tierarten. Die Grün- und Naturflächen haben überdies einen positiven Einfluss auf das Stadtklima und stellen für die Berlinerinnen und Berliner kostbare Naherholungsgebiete dar, in denen die Vorzüge und der Wert einer intakten Natur noch hautnah erlebt werden können.
Bitte unterstützen Sie uns, damit wir uns auch zukünftig für den Erhalt und Schutz von Berlins Gewässern stark machen können. Lobbyarbeit für den Naturschutz kostet Geld, deshalb sind wir auf angewiesen. Herzlichen Dank!
Autor: Demian Hari