Großstadtputz statt Großstadtschmutz
Weniger Müll für Berlin




Müll in der Umwelt - Foto: Christine Szyska
In allen 2.700 Parks, Grünflächen und Spielplätzen Berlins begegnet man ihm – achtlos weggeworfenem Müll. Wer denkt, die BSR beseitige diesen früher oder später, irrt. Bisher werden dank eines Pilotprojekts bloß rund 50 der Flächen gereinigt. Kleinere Initiativen kämpfen bereits seit Jahren für Zivilcourage, wenn es um das Aufheben von Müll geht, den andere hinterlassen haben. Doch an einem Tag im Jahr greifen alle gemeinsam zu Handschuh und Müllsack: am World Cleanup Day. Allein in Berlin waren es an diesem 21. September mehrere hundert Aktionen. Weltweit beteiligen sich jährlich Millionen von Menschen in mehr als 150 Ländern.
Hauptstadtmüll – Risiken für Mensch und Tier
Bei uns in der Hauptstadt strotzen besonders eng besiedelte Bezirke wie Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg vor Unrat. Die enormen Kosten des Mülls, darunter illegale Deponien oder Sperrmüllhaufen, liegen laut BSR bei 4,5 bis 5 Mio Euro jährlich. Bußgelder werden fast nie verhängt, Anreize zum Aufheben liefern einzig die Pfandflaschen – und so geht das Vermüllen munter weiter.
Doch Abfälle sind nicht nur hässlich anzusehen, sie bergen auch Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier und ziehen unbeliebte Gäste wie Ratten und immer häufiger auch Waschbären an. Scherben sind besonders für Kinder ein Risiko ernster Schnittverletzungen. Fahrradfahrer ärgern sich über platte Reifen. Aber auch für Wildtiere ist Müll eine Gefahr. An Draht oder Schnüren können sich Wildtiere stark verletzen oder verheddern und Dosen werden zu scharfkantigen Fallen für beispielsweise Igel-, Fuchs- und Mäuse-Schnauzen. Plastikfolien und ähnliches Material werden von Vögeln zunehmend beim Nestbau verwendet. Ist der Plastikanteil des Nests zu groß und verhindert das Ablaufen von Regenwasser, können Jungvögel verklammen und sterben. Mitunter wird der Müll leider auch mit Nahrung verwechselt und gefressen.
Scherben und Gläser können außerdem Brände verursachen. Trockene Vegetation kann sich nicht nur an Glimmstängeln entzünden, sondern auch durch den Lupeneffekt am Glas. Dies ist dann keine Ordnungswidrigkeit mehr, wer fahrlässig handelt und einen Waldbrand riskiert, muss mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe rechnen.
Plastikmüll und unsichtbares Plastik

Brandenburg bietet kein besseres Bild. Vor allem Müll, der auf Landstraßen einfach aus dem Auto geworfen wird, ist ein großes Problem. Bei Mäharbeiten wird er kleingehäckselt und allmählich zu Mikroplastik. - Foto: Constanze Fiebig
Plastik ist inzwischen in allen Elementen auf jedem Ort dieser Erde angekommen. Als Mikroplastik gelangt es beispielsweise mit dem Wind, dem Wasserkreislauf und den Nahrungsketten überall hin. Hauptverursacher sind Autoreifen und Asphalt. danach kommen Kosmetika und Fasern aus Kleidung. Unbekannter ist, dass die Abfallentsorgung, Sportplätze und Plastikverpackungen durch Abrieb die Umwelt mit besonders viel Mikroplastik belasten. Auch herkömmliches Kaugummi besteht zum Großteil aus Kunststoff, der aus Erdöl gewonnen wird. Besonders tückisch ist die Unsichtbarkeit der Partikel und damit die Wahrnehmung des Problems.
Wie Mikroplastik im menschlichen Körper bzw. in dessen Zellen wirkt, ist bislang unbekannt. Studien mit Tieren geben Hinweise auf verringerte Wachstumsraten in winzigen Krebstieren als auch auf Entzündungen durch Plastikfasern. Erdöl-basierte Kunststoffe können zudem toxische Stoffe abgeben, Weichmacher sind stark in der Kontroverse, da sie zumindest bei Wildtieren starke Hormonstörungen auslösen können. Doch welche Folgen sich in Zukunft für unsere Gesundheit und die uns umgebende Welt ergeben werden, ist noch nicht absehbar.
Vom Anbau bis zum Zerfall: Umweltsünde Zigaretten
Oft wird die Gefahr, die von weggeworfenen Zigarettenstummeln ausgeht, unterschätzt. Etwa zwei Drittel landen nämlich nicht im Aschenbecher und ergeben so 30 bis 40 Prozent des Mülls in der Umwelt. Die enthaltenen Plastikfilter verrotten nicht. Hinzu kommen die 250 giftigen Chemikalien, davon etwa 100 hochgiftige, die je nach Umweltbedingungen schneller oder langsamer ausgespült werden. Sie können Gewässer vergiften und schaden Bodenlebewesen. Sind sie schon in der Produktion ein riesiger Wasserschlucker und Grund für massiven Pestizideinsatz, gelangen die Verbrennungsprodukte durch Wegschnippen nach dem Rauchen in die Umwelt. Kinder können damit „Rauchen“ spielen und Haustiere durch Trinken an Pfützen eine mitunter tödliche Nikotinvergiftung bekommen. Studien zeigen Effekte auf Fische, Seeringelwürmer und Schnecken: von Genveränderungen und Verhaltensänderungen bis zum Tod.
Ein neuer Ansatz setzt auf Prävention und schlägt ein Pfandsystem vor, bei dem der Raucher pro abgegebenem Stummel einen Betrag zurückbekommt. Der Berliner Stephan von Orlow, Gründer der Initiative „Die Aufheber“ startete eine Petition für den Zigarettenpfand. Er glaubt, dieses System hat mehr Aussicht auf Erfolg, da es belohnt anstatt zu bestrafen. Die Bußgelder in Berlin wurden unlängst erhöht, doch wird kaum jemand vom Ordnungsamt je erwischt.
23.500 Mülleimer bietet Berlin samt separatem Aschenbecher. Die Kampagne für Stadtsauberkeit der BSR mit zahllosen lustigen Aufforderungen zum Sauberhalten („Für die Zigarette danach“) gibt ständig Denkanstöße. Dort, wo dies nicht hilft, liegt der Müll im Zweifelsfall ewig und zerfällt mit der Zeit – jedoch nur in Mikroplastik.
Müll vermeiden, aktiv handeln
An allen Tagen im Jahr sollte man Müll, der nicht vermieden werden kann, in entsprechende Behälter entsorgen und hin und wieder auch mal etwas aufheben. Dabei sollten Sie natürlich besonders in der Vogelbrutsaison im Frühjahr behutsam vorgehen, wildlebende Tiere nicht stören und Uferzonen schonen.
Damit Müll gar nicht erst entsteht, helfen einfache Maßnahmen:
- Verzicht auf vermeidbare Verpackungen
z. B. Einkaufsbeutel dabeihaben, in Unverpackt-Läden einkaufen, Frischwaren in selbst gebrachte Behälter füllen lassen, wiederverwendbare Wasserflaschen mitnehmen, in Ruhe essen und trinken spart To-Go-Produkte - Auf plastikfreie Kleider umstellen
Fleece verliert z. B. sehr viel Plastik sowie Funktionskleidung: Ist man kein Extremsportler reichen oftmals Baumwollprodukte aus. Alles was glitzert, schimmert und schnell trocknend ist, könnte Plastikfasern enthalten. Wer Second Hand kauft, ist auf der umweltschonenden Seite und hat auch gleich noch mehr Hautverträglichkeit eingekauft, denn die meisten Kleidungsstücke sind schon mehrfach gewaschen. Schuhsohlen produzieren auch viel Abrieb, derzeit entwickelt viele Firmen alternative Sohlen, beispielsweise abbaubares TPU ist eine gute Wahl. Von blinkenden Schuhen etc. sollte auch abgesehen werden, denn die produzieren gleichzeitig noch Elektroschrott. - Plastikfrei schenken
Taschen-Ascher, Edelstahl-Dosen, Wachs-Papier, Trinkflaschen oder auch Backmatten sind tolle Geschenkideen und halten teilweise ein Leben lang.
Und sonst?
- Sprechen Sie Ihre Mitmenschen an! Werden Sie Zeug*in der Vermüllung, weisen Sie den/die Verschmutzer*in freundlich auf die Schädlichkeit hin. Manchmal hilft auch demonstratives Aufheben und Selbst-Wegwerfen.
- Schreiben Sie Hersteller direkt an und äußern Sie Ihren Wunsch nach Waren „ohne“!
- Wer aktiv „seinen“ Spielplatz oder Parkbereich von Müll freihalten will, den unterstützt die BSR mit dem KEHRENBÜRGER-Paket.
- Oder Sie werden einfach selbst aktiv, sammeln jeden Tag ein paar Müllstücke auf. Wer nicht allein sammeln will, kann sich einer der vielen Initiativen wie dem Berliner World Cleanup Day anschließen oder z. B. auf Facebook den „Berlin Trash Pickers“ etc.
- Melden Sie dem Ordnungsamt auf allen bekannten Wegen oder per „Ordnungsamt-Online“-App Müll, bevor er verweht, weggespült oder vom Grünflächenamt „zermäht“ wird.
- Unterschreiben Sie die Petition für Zigarettenpfand!
Weiterlesen: Zu kleine Schritte, NABU-Position zum Entwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
Text: Sophie Brüning