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Weißstörche in Linum beringt
Linum, 03.07.2019. Unsere Linumer Storchenkinder und ihre Artgenossen in der Umgebung tragen nun individuelle Kennringe. Umfangreiche Informationen zu Orts- und Partnertreue, Lebensdauer, Zugrouten und Todesursachen können mithilfe der Vogelberingung erforscht werden – insbesondere von Zugvögeln. Dieses Wissen hilft zum Beispiel dabei, Gefahren für Vögel zu identifizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Die beiden sechs Wochen alten Weißstorch-Jungtiere im Horst hoch oben auf dem Dach der Storchenschmiede haben in den letzten Wochen noch einmal ordentlich zugelegt – ein guter Zeitpunkt für die Beringung. Jörg Dummer, der seit Jahren ehrenamtlich „unsere“ Linumer Störche beringt, wurde von Stationsleiterin Lisa Hörig auf der Hebebühne begleitet. Die Bühne ist notwendig, um an den exponierten, etwa 10 Meter hohen Horst, zu gelangen und den Jungstörchen ihre individuellen Ringe anzulegen.
Als die Weißstorch-Jungen die Hebebühne registrierten, duckten sie sich in ihr Nest und blieben starr liegen. Diese sogenannte Akinese ist ein typisches Schutzverhalten, das sie vor Angriffen durch Raubvögeln schützt, während die Altvögel auf Futtersuche sind. Nur in den ersten acht bis neun Lebenswochen zeigen sie dieses Verhalten. Sieht ein Raubvogel das reglose Jungtier, hält er es für tot und fliegt unverrichteter Dinge weiter. Diesen natürlichen Todstellreflex nutzen die Beringer aus, um die Jungstörche gefahrlos mit ihrer individuellen Markierung zu versehen. „Der Altvogel, der noch auf dem Horst saß, flog auf den nächsten Dachfirst und guckte aus sicherer Entfernung skeptisch dabei zu, was dort mit seinen Jungen passierte. Wenige Minuten dauert so eine Beringung. Dabei wird auch der Zustand der Jungvögel kontrolliert und der Nestboden noch nach Plastik und Bindegarn abgesucht, denn die könnten für die Tiere zur ernsten Gefahr werden. Zurück auf dem Boden beobachtete das Team per Direktübertragung auf dem Monitor in der Storchenausstellung noch, wie die Jungen langsam aus ihrer Starre erwachten und der Altvogel wieder seinen Posten im Nest bezog. Dann ging es weiter zum nächsten Horst.
Ring mit Gravur
Nicht alle Horste in der Region konnten mit der Hebebühne erreicht werden, insgesamt waren es an diesem Tag aber rund um Neuruppin 38 Jungstörche auf 16 Horsten. Diese 38 Tiere tragen nun Ringe der Beringungszentrale Hiddensee, die mit einer individuellen Zahlen-Buchstaben-Kombination versehen sind. So können sie überall auf der Welt identifiziert werden, ob in Deutschland, Spanien oder Nordafrika. Die Daten, die so über die Verhaltensbiologie wie Nahrungssuche oder Zugrouten der Weißstörche ermittelt werden, sind vor allem in Zeiten des Klimawandels von besonders großem Interesse. Ändert sich das Zugverhalten und wenn ja, wie? Wählen weiterhin 75 % der Störche die östliche Zugroute über den Bosporus nach Mittel- und Südafrika oder verschiebt sich die Zugroute für mehr Tiere nach Westen? Ändern sich die Überwinterungsorte oder das Überwinterungsverhalten? Wird es vermehrt überwinternde Tiere in unseren Breiten geben?
Der NABU Berlin freut sich über jeden Weißstorch-Nachwuchs in Berlin und Brandenburg und hofft nach ihrem Wegzug im Spätsommer natürlich auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.