Es wird eng für Berliner Wildbienen
Wildbienenexperte warnt vor Flächenverlust
Derzeit sind aus Berlin 317 Wildbienenarten bekannt, davon ist nahezu jede zweite im Bestand gefährdet oder bereits verschollen. Zwar sind die Wildbienen in der Großstadt, im Vergleich zum ländlichen Raum, kaum Pestiziden ausgesetzt, doch droht ihnen von anderer Seite Gefahr: Durch die zunehmende Bebauung und Verdichtung verschwinden Nahrungsquellen und Niststätten. Grünflächen sind übernutzt und die stark wachsende Zahl von Honigbienen-Völkern bildet zunehmend eine Nahrungskonkurrenz zu Wildbienen.
Die Stadt kann ein „Eldorado“ für Wildbienen sein
Die Zahl der aus Berlin bekannten Wildbienenarten ist von 2005 bis heute von 297 Arten auf 317 Arten gestiegen. Ein Grund dafür ist die Ausbreitung von südlich lebenden Arten nach Norden aufgrund des Klimawandels. 2005 standen 40 Prozent der Arten auf der Roten Liste, aktuell sind es mindestens 44 Prozent. Diese Zahlen sowie weitere Erhebungen zur Situation der Wildbienen in Berlin stellte der Ökologe und Wildbienen-Experte Dr. Christoph Saure jetzt beim NABU Berlin vor.
Teile Berlins sind ein „Eldorado für Wildbienen“, sagt Saure. „Am besten geht es den Bienen auf den innerstädtischen Brachflächen“. Hier finden sie ganzjährig Nahrung und Strukturen zum Nestbau wie offene Bodenstellen, trockene Stängel, Mauerreste oder Steinhaufen sind reichlich vorhanden. Außerdem ist das Innenstadtklima um rund drei Grad höher als im Umland.
Berlin hat eine besondere Verantwortung für mehrere Wildbienenarten
Einige Wildbienenarten kommen bundesweit nur - bzw. nur noch - in Berlin und Brandenburg vor: die Herz-Maskenbiene, die Kleine Spiralhornbiene, die Östliche Felsen-Mauerbiene und die Flockenblumen-Langhornbiene. „Berlin trägt für ihren Erhalt eine besondere Verantwortung“, sagt Saure. So ist etwa die Östliche Felsen-Mauerbiene eine Zielart des Berliner Biotopverbundes und eine charakteristische Bewohnerin der trockenwarmen Stadtbrachen. Diese nehmen in Berlin jedoch immer weiter ab.
Größter Artenreichtum am Stadtrand
Die artenreichsten Gebiete Berlins, also die Gebiete mit den höchsten Zahlen verschiedener Wildbienenarten, sind laut Saure der Landschaftspark Johannisthal, die Weidelandschaft Lichterfelde Süd, die Flächen am Fort Hahneberg, Flughafen Tegel und Flughafensee, das Tegeler Fließ, der Eiskeller, der Biesenhorster Sand und der Botanische Garten in Dahlem. Auch weitere Gebiete weisen noch einen hohen Artenreichtum auf. Aber elf der 18 artenreichsten Gebiete Berlins sind inzwischen in einem instabilen oder sich verschlechternden Erhaltungszustand, warnt Saure. Vielen Flächen droht eine Bebauung oder sie werden zu intensiv als Erholungsgebiete genutzt oder aus Sicht der Wildbienen falsch gepflegt.
Brachen schützen, Biotopverbund sichern, Balkone bepflanzen
Um die Bedingungen für Wildbienen in Berlin zu verbessern, schlägt Saure mehrere Maßnahmen vor: Die artenreichen „Hot Spots“ in der Stadt sollten unbedingt erhalten bleiben, der Biotopverbund muss gesichert und die Brachflächen im Sinne des Naturschutzes gemanagt werden, fordert Saure. Grünflächen und Parks sollten zeitlich und räumlich alternierend gepflegt werden und eine Besucherlenkung erfolgen. Statt Rasenflächen kurz zu scheren sollten blütenreiche Wiesen und Säume mit heimischen Kräutern entstehen, die Wildbienen anlocken, empfiehlt Saure.
Eine Verbesserung des Nahrungsangebotes in der Stadt nützt auch den Honigbienen und verringert die Konkurrenz. „Selbst die Imker wissen: Die Honigbienendichte hat in Berlin die Obergrenze erreicht. Eine weitere Zunahme kann Bienenkrankheiten fördern und zur Nahrungskonkurrenz führen, nicht nur zwischen Honig- und Wildbienen, sondern auch zwischen Honigbienenvölkern.“ Um die Lebensräume der Wildbienen zu sichern, sollten in Naturschutzgebieten und in einem Umkreis von drei Kilometern herum keine Honigbienenvölker ausgebracht werden, so Saure.
Berliner Gärtner*innentalente sind gefragt
„Mit heimischen Wildpflanzen im eigenen Garten oder auf dem Balkon können viele Berliner*innen selbst ein Nahrungsangebot für Wildbienen schaffen“, sagt Melanie von Orlow, Sprecherin der NABU-Bundesarbeitsgemeinschaft Hymenoptera. Schmetterlingsblütler, Korbblütler, Kreuzblütler und Lippenblütler sind dafür zum Beispiel gut geeignet. Wichtig ist: Ungefüllte Blüten! Keine Züchtungen! Auch das Anbringen von Nisthilfen, wie gut getrockneten und in den Rindenteilquer zur Maserung angebohrten Hartholz-Blöcken, unterstützt verschiedene Wildbienenarten. Da drei Viertel der Wildbienenarten im Boden nisten, ist auch die Bewahrung natürlicher Ansiedlungen in Pflasterfugen wichtig und hilfreich. Im Frühjahr und Sommer die Wildbienen zu beobachten ist faszinierend!
Literaturempfehlung:
„Mein Insektenhotel: Wildbienen, Hummeln & Co. im Garten“ von Melanie von Orlow
Viele Wildbienen-Nisthilfen bringen leider nicht den erwünschten Nutzen, manche können sogar schaden. Schuld daran sind ungeeignete Materialien und Bauweisen. Wie macht man es also richtig? Hier erfahren Sie, wie man die wirkungsvollsten Bienenhäuser baut. Mehr →