Die Kreuzkröte – eine Pionierin sucht Asyl
Städtische Brachen und Kiesgruben als Zufluchtstätten
Wer bei einem nächtlichen Spaziergang nach einem regenreich-warmen Sommertag laut knarrende Chöre hört, die dem Zirpen der Maulwurfsgrille ähneln, der hat das heutzutage selten gewordene Vergnügen, einem Rufkonzert der Kreuzkröte Epidalea calamita beizuwohnen. Ihren Namen verdankt sie dem charakteristischen gelben Längsstrich auf ihrem Rücken (Kreuz), und sie ist bekannt für ihre für Amphibien untypische mäuseartige Fortbewegung. Die Kaulquappen dieser Pionierart sind konkurrenzschwach und prädationsanfällig. Dies gleicht sie aus, indem sie keine permanenten Laichgewässer aufsucht wie etwa die Erdkröte, sondern vegetationslose, flache Temporärgewässer bevorzugt, wo es kaum Prädatoren gibt und die vielen anderen Amphibien nicht behagen. Ihre Fortpflanzungszeit dauert von April bis August. Um die Gefahr des Austrocknens zu senken, entwickeln sich die Larven schneller als bei allen anderen heimischen Amphibien.
Bauvorhaben gefährden die neue Heimat
Der ursprüngliche Lebensraum der Kreuzkröte umfasste in erster Linie sandige Fluss- und Bachauen. Bedingt durch den nahezu kompletten Verlust ihrer Primärhabitate in Deutschland, insbesondere durch die Befestigung der Fließgewässer, kommt die Kreuzkröte heute vorwiegend in Sekundärlebensräumen vor. Dabei handelt es sich um extensiv genutztes, strukturreiches Offenland mit temporären Tümpeln, etwa Sand- und Kiesgruben, Bahn- und Baugelände oder suburbane Brachflächen. Diese Sekundärhabitate sind jedoch ebenfalls bedroht, da etwa Kiesgruben zu intensiv genutzt oder rekultiviert werden. Häufig wird auch die Nutzung aufgegeben, so dass die Flächen zuwachsen. Zudem können die Tiere neue Lebensräume kaum mehr besiedeln, da durch die zunehmende Habitatfragmentierung zu große Entfernungen oder unüberwindbare Barrieren zwischen Kreuzkröten-Vorkommen liegen.
Auch in Berlin vom Aussterben bedroht
Deshalb steht es schlecht um die Art. Die Kreuzkröte ist im Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gelistet und damit streng geschützt. In der Roten Liste Berlins ist sie als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. In der Hauptstadt existiert aktuell nur noch ein Vorkommen am ehemaligen Rangierbahnhof Pankow-Heinersdorf. Aufgrund eines Bauvorhabens, das neben einem Wohnquartier einen Möbelmarkt mit 450 Parkplätzen vorsieht, ist diese Population akut bedroht. Der NABU Berlin fordert daher eine fünf Hektar große Reservatsfläche, um wenigstens einen Teil der Heiners-dorfer Population vor Ort zu erhalten. Derzeit verschlechtern sich die Lebensraumbedingungen zunehmend, so dass der Bestand bereits zurückgegangen ist. Auch darüber hinaus setzt sich der NABU Berlin intensiv für die Erhaltung dieser Kreuzkröten-Population ein. Im Rahmen eines von der Stiftung Natur-schutz Berlin geförderten Projekts hat er 2019 ein Monitoring durchgeführt und mit seinem Projektpartner „Amphi International“ eine Erhaltungszucht etabliert, um den spezifischen Genpool der letzten Berliner Kreuzkröten zu sichern.
Mirjam Nadjafzadeh (aus Natur in Berlin 2/2020)
Ein Sieg mit Signalwirkung. Der Beschluss zur Kostenaufteilung im Rechtsstreit Pankower Tor signalisiert, dass das Gericht wohl im Sinne des NABU entschieden hätte. Es lohnt sich also, gegen juristische Winkelzüge zulasten der Natur vorzugehen. Mehr →
Obwohl auch in der Hauptstadt immer weniger Kröten, Frösche und Molche anzutreffen sind, geht Berlin leichtfertig mit den Lebensräumen dieser Tiere um. Bei Bauprojekten wird der Artenschutz ignoriert, die Trinkwasserförderung lässt Moore austrocknen. Mehr →
Der starke Temperaturanstieg macht den Amphibien Beine. Von Tag zu Tag setzen sich in immer mehr Regionen Molche, Frösche und Kröten und Bewegung. Im Flachland, vor allem in den Flusstälern, sind inzwischen bundesweit Amphibien auf dem Weg zu den Laichgewässern. Mehr →