Der Naturcent für Berlin?
Ein kleiner Cent für die Natur mit großer Wirkung für alle
Mit dem „Naturcent“ bekennt sich Hamburg dazu, die Lebensqualität für Mensch und Natur in der wachsenden Stadt erhalten zu wollen und lässt sich das jedes Jahr einige Millionen Euro kosten. Ein nachahmenswertes Modell, solange bebaute Flächen noch immer höher besteuert werden als unbebaute. Vor allem dann, wenn ein „Naturcent“ nicht in die Globalhaushalte der Bezirke fließt und dort zweckentfremdet verwendet werden kann. Dennoch meinen wir: Ein „Berliner Naturcent“ kann noch mehr.
Worum geht es?
Hamburg hat den „Naturcent“ aufgelegt: Als Ausgleich für die zunehmende Bebauung und die resultierende intensivere Nutzung von Freifl ächen stellen die Hanseaten bereits im zweiten Jahr 1,5 Millionen Euro in den Haushalt der Hamburger Umweltbehörde ein. Die Mittel werden direkt für Natuschutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Pfl ege von Grün- und Erholungsanlagen eingesetzt, um deren ökologischen Wert zu steigern und sie gleichzeitig als Erholungsfl ächen zu stärken. Die Höhe des „Naturcent“ orientiert sich am Zuwachs der Grundsteuereinnahmen, die durch die Bebauung bestimmter Flächen in den Finanzhaushalt der Stadt fließen. Je stärker diese Flächen versiegelt werden, desto höher ist der „Naturcent“. Laut Koalitionsvertrag will die Berliner Regierung den Hamburger "Naturcent" evaluieren und aufbauend auf den Erkenntnissen ein eigenes Finanzierungsinstrument für die Sicherung und den Ausbau der Grünen Infrastruktur in Berlin entwickeln.
Nichts erkaufen
Die Bereitstellung des Hamburger "Naturcent" orientiert sich an Steuermehreinnahmen aus erstmaliger Bebauung in bestehenden oder geplanten Landschaftsschutzgebieten (LSG). Aus Naturschutzsicht inakzeptabel, denn das vorrangige Schutzziel in LSG ist es ja gerade, sie von Bebauung frei zu halten. Wir sollten uns das Bauverbot in Schutzgebieten nicht durch einen "Naturcent" abkaufen lassen. Ein Berliner "Naturcent" sollte sich an den Grundsteuererhöhungen durch alle neu und zusätzlich bebauten Flächen orientieren: Derjenigen im Außenbereich außerhalb von LSG und derjenigen im Innenbereich, denn auch diese haben in der Regel eine wichtige Funktion für den Naturhaushalt und werden für die Erholung genutzt.
Projektbezogene Verwendung
Die Verwendung des "Naturcent" sollte zu einer wirklichen Qualifizierung der vorhandenen Flächen führen. Geeignet sind zusätzliche Entwicklungsmaßnahmen, die eine tatsächliche ökologische Aufwertung bewirken, wie zum Beispiel Abflachung von Gewässerufern oder die Anlage von Gehölzinseln. Die Neuanlagen von Parks, die Möblierung von Grünanlagen oder auch die Flächenpflege führen nicht zur ökologischen Qualifizierung und sind von der Verwaltung als Regelaufgabe sowieso zu leisten. In diesem Zusammenhang muss sichergestellt sein, dass mit Einführung eines "Naturcents" nicht der Pflege-Etat der Bezirke eingedampft wird.
Das Hamburg Modell, die Mittel projektbezogen an die Bezirke abzugeben, scheint auch für Berlin zielführend. Wichtig ist eine transparente Mittelverwendung. Empfehlenswert ist die Einrichtung eines Begleitgremiums, das die Kriterien der Mittelverwendung festlegt und über die Vergabe entscheidet.
Wann, wenn nicht jetzt?
Neben der Qualifizierung intensiv genutzter Flächen kann der "Naturcent" das händeringend gesuchte Finanzierungsinstrument sein, mit dem Flächen für die Sicherung der grünen Infrastruktur Berlins gekauft werden können: Zum Erhalt wertvoller Naturfl ächen, zur Vernetzung von Grünzügen, zur Herstellung des gesetzlich vorgeschriebenen Biotopverbundes. Doch dazu muss Berlin sofort handeln – sonst sind auch die letzten innerstädtischen Brachflächen und landwirtschaftlich genutzte Flächen im Außenbereich bebaut. Bisher hat die neue Regierungskoalition sich nicht mit dem Flächenverbrauch beschäftigt. Allein die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen übt für den Wohnungsbau Vorkaufsrechte aus. Sollte die im Koalitionsvertrag angekündigte Sicherung der Freifl ächen eher ein nachrangiges Ziel der rot-rot-grünen Koalition sein?
Text: Jutta Sandkühler