Socialday Starbucks - Foto: Christopher Hartl
Vom urbanen Wildwuchs zur Sanddüne
Eine Chronik
Am Anfang war ein Dschungel
Im Jahr 2011 lässt sich die eiszeitliche Düne im Wedding kaum unter der dichten Spontanvegetation ausmachen. Die Bezirksgruppe Mitte nimmt Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde des Bezirks Mitte auf und bekundet Interesse, das Naturdenkmal in Zukunft zu pflegen und ökologisch weiterzuentwickeln. Daraufhin lässt die Behörde rund 70 Bäume roden. Hauptsächlich handelt es sich um Robinien, die auf einem Magerstandort nichts zu suchen haben. Auch zahlreiche nicht standortgerechte Sträucher wie Mahonie, Gemeiner Flieder und Brombeere müssen weichen.
Graben, hacken, jäten
Im Jahr 2012 verbringen wir unzählige Arbeitsstunden mit weiteren Rodungsarbeiten. Grassoden werden abgeplaggt, unerwünschte Wildkräuter wie Springkraut und Taubnessel entfernt. Zum Glück kann die Bezirksgruppe mehrere Unternehmen, darunter Starbucks, Bloomberg und Immobilienscout, dafür begeistern, im Rahmen von "Social Days" bei der Renaturierung der Düne Hand anzulegen. Allmählich gelingt es so, den grünen Pelz zurückzudrängen, so dass die wahre, eiszeitliche Natur des Hügels zum Vorschein kommt. Lohn der Mühe: Zum ersten Mal kann die Bezirksgruppe ihr Sommerfest am Fuße der Düne feiern.
Fröhliche Sisyphusarbeit
Wegen des zwar sandigen, aber dennoch nährstoffreichen Bodens reicht eine einmalige Rodung natürlich nicht aus. In den Jahren 2012 bis 2015 präsentiert sich die Düne jedes Frühjahr wieder grün überhaucht von stickstoffliebenden Wildkräutern. Davon lässt sich die AG Düne aber nicht entmutigen. Bei ihren monatlichen Pflegeeinsätzen zwischen Mai und Oktober heißt es: jäten, jäten und noch einmal jäten. Tatkräftig unterstützt wird sie von den zupackenden CITO-Geocachern, die sich wiederholt zum Arbeitseinsatz auf der Düne treffen. Auch weitere "Social Days" verschiedener Unternehmen bringen das Renaturierungsprojekt voran.
Dünenpflanzen auf dem Vormarsch
Im Jahr 2016 beginnen wir damit, dünentypische Pflanzen auf dem Naturdenkmal anzusiedeln. Auf dem Gelände des SUZ Mitte ziehen wir verschiedene Arten aus Samen vor, darunter Grünblütiges Leimkraut (Silene clorantha) und Ährigen Ehrenpreis (Veronica spicata), die wir im Herbst auspflanzen. Dazu retten wir mehr als 1000 Wildpflanzen von einem Baugrundstück in Berlin-Zehlendorf, die sonst dem Bagger zum Opfer gefallen wären, und evakuieren sie auf die Düne. Es handelt sich vor allem um Sand-Grasnelken, aber auch um Sand-Strohblumen, Scharfen Mauerpfeffer und Zypressen-Wolfsmilch. Vom Botanischen Garten Berlin erhalten wir schließlich 105 Exemplare der Grauen Skabiose (Scabiosa canescens). Die bepflanzten Areale werden sorgfältig abgesteckt und kartographiert.
Seltene Insekten stellen sich ein
Alle reden über das Insektensterben, doch zumindest auf der Düne Wedding scheint es mit den Kerbtieren aufwärts zu gehen. Im Sommer 2017 konnten wir zwei seltene Arten sichten: die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und den Kleinen Feuerfalter (Lycaena phlaeas). Nach Ansicht von Sascha Thiele, Leiter der AG Düne, führte eine Änderung des Pflegeregimes zum Auftreten des Feuerfalters: Seit einiger Zeit wird der Kleine Sauerampfer (Rumex acetosella), die bevorzugte Futterpflanze der Raupen, nicht mehr gejätet. Wie die Ödlandschrecke ihren Weg in den Weddinger Hinterhof fand, bleibt indes ein Geheimnis. Möglicherweise handelt es sich um Besuch vom nicht allzu weit entfernten Gelände des Flughafens Tegel. Auf jeden Fall sind die Sichtungen ein schöner Lohn für die Mühen der Renaturierung!
Gemeinsam für mehr Vielfalt
In Kooperation mit dem Projekt "Urbanität und Vielfalt" siedeln wir im Herbst 2018 noch mehr Pflanzenarten auf der Düne an. Unsere Partner stellten insgesamt 673 Jungpflanzen von sechs Arten bereit, darunter Karthäusernelken, Berg-Sandglöckchen und Berg-Haartstrang, die sie im Botanischen Garten Potsdam und im Späth-Arboretum der Humboldt-Universität vorgezogen haben. Dank reger Beteiligung vieler Freunde der urbanen Natur geht das Ausbringen der Setzlinge an einem sonnigen Novembertag schnell von der Hand, Topfplatte um Topfplatte leert sich. Wir warten gespannt auf das vielfältige Blütenmeer in der kommenden Saison!