Habichte in Berlin
Bilder eines scheuen Vogels


Seit Jahren erforscht Dr. Norbert Kenntner als Mitglied der AG Greifvogelschutz Berlin-Bernau den Habicht (Accipiter gentilis) . Als einer von drei Bearbeitern dieser Art ist er für den Südwesten Berlins zuständig. Die Kamera begleitet ihn auf vielen seiner Einsätze für den scheuen Greifvogel. Dank seines Insiderwissens gelingen ihm dabei Bilder, die man sonst nur selten zu sehen bekommt. Hauptamtlich untersucht Dr. Norbert Kenntner im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin als Wildtiertoxikologe die Schadstoffbelastung von Greifvögeln, insbesondere Seeadlern.
Einen Habicht erkennt man daran, dass man ihn nicht sieht....
... anders ist die Situation in der Großstadt Berlin
Den Habicht erkennt man daran, dass man ihn nicht sieht! Ein Spruch, der sich auf die Lebensweise des Greifvogels bezieht: Er jagt in deckungsreicher Landschaft und kann sich wendig und geschickt zwischen Bäumen bewegen.
Dennoch hier zunächst einige Erkennungsmerkmale.
Kennzeichen: Der Habichte ist mit um die 50 (♂) bzw. 60 cm Länge größer als der Sperber, Flügelspannweite: um die 100 cm (♂) bzw. um die 115 cm (♀). Im Flug ist er an den relativ kurzen und breiten, abgerundeten Flügeln zu erkennen. Das Gefieder ist bei Altvögeln oberseits braun bis grau, unterseits weißlich mit enger und feiner dunkler Querbänderung. Jungvögel haben eine braune Oberseite und ockerfarbene Unterseite mit einem dunklen Tropfenmuster.
Das Weibchen ist deutlich größer als das Männchen. Dieser so genannte Geschlechtsdimorphismus ist allgemein bei Greifvögeln anzutreffen. Ein Vergleich: Während das Habichtmännchen gerade die Größe einer Krähe hat, ist das Weibchen etwa so groß wie ein Mäusebussard.
Weitere Informationen zum Habicht in Berlin finden Sie unter www.habicht-berlin.de.
Im Großstadtdschungel
In den 1950er und 60er Jahren war der Habicht wegen der Verfolgung durch Hühner- und Taubenzüchter und Beeinträchtigungen durch Umweltgifte (DDT) in einigen Teilen Deutschlands nahezu verschwunden. Seit er eine ganzjährige Schonzeit genießt, geht es mit seinem Bestand wieder aufwärts. Während die erste Berliner Stadtbrut in den 80er Jahren im Grunewald noch von Vogelschützern bewacht wurde, stieg die Zahl bis heute auf ca. 90 Brutpaare an.
Heute finden sich Habichthorste in nahezu allen größeren Parkanlagen der Stadt und selbst in Innenhöfen größerer Wohnanlagen. Wegen ihrer Ruhe und Ungestörtheit sind auch Friedhöfe beim Habicht beliebt.
Der scheue, einst als Hühnerdieb gejagte Vogel ist also zum "coolen" Großstädter geworden. Zugrunde liegt diesem Verhalten vermutlich ein Anpassungsprozess: In der Stadt droht ihm keine Verfolgung, ausgeprägte Menschenscheu ist nicht mehr notwendig. Und hier ist der Tisch für ihn reichlich gedeckt: Der Berliner Habicht ernährt sich bevorzugt von Stadttauben, von denen Zehntausende jährlich in der Stadt brüten. Auch Kleinvögel, egal ob Spatz oder Wellensittich, stehen auf seinem Speiseplan. Dem geschickten Jäger können selbst Kaninchen und Eichhörnchen zum Opfer fallen.
Ein Habichtjahr
Februar
Berliner Habichte sind Standvögel und verweilen das ganze Jahr in der Stadt. Die Balz kann daher schon Mitte Februar beginnen. Hat das Männchen eine potenzielle Partnerin gefunden, trägt er frisch geschlagene Beute heran, um sie mit diesem "Hochzeitsgeschenk" zu beeindrucken. Mit aufgeplustertem Hinterteil steht er dann da und demonstriert: Ich bin ein guter Jäger.
Wenn der Habicht auch ansonsten eher heimlich lebt; während der Balzzeit vollführen Habichtmännchen und -weibchen gut sichtbar eine wahre Kür mit imposanten Schauflügen.
Ist nach all dem Bemühen die Habichtdame dem Männchen schließlich gnädig, kommt es zur Kopulation. Übrigens: Damit dieses Foto gelingen konnte, war tagelanges Warten in eisiger Kälte notwendig.
In diesem besonderen Fall paart sich das deutlich kleinere Männchen mit einem Weibchen im Jugendkleid.
Das Männchen beginnt mit dem Bau bzw. Ausbau des alten Horstes und legt "den Grundstein“ für die künftige Kinderstube. Seine Partnerin hilft später fleißig mit und sorgt auch noch während der Brutzeit für die „Begrünung“ des Horstes mit ausgetriebenen Zweigen.
Der Habicht zeigt sich bei der Bereitstellung eines geeigneten Brutplatzes äußerst umsichtig: Er bietet häufig mehrere Nistplätze an und das Weibchen wählt durch Testen der Brutmöglichkeit und der anschließenden Eiablage schließlich einen Horst aus.
Der Habichthorst befindet sich meist in der Krone hoher Bäume, manchmal werden auch die Nester anderer Greifvögel oder Krähen genutzt. In Berlin sind besonders Kiefern, Ahorn und Buchen für den Horstbau attraktiv.
Horste, die über mehrere Jahre genutzt werden, können mit fast einem Meter Durchmesser und über einem Meter Höhe beeindruckende Ausmaße annehmen.
März-April
Die Eier werden im März bis Anfang April gelegt und ca. 38 Tage bebrütet. Das Gelege besteht i.d.R. aus 2-5 ovalen, grünlich-weißen Eiern, die im Abstand von 2 Tagen gelegt werden. Das Brutgeschäft übernimmt überwiegend das Weibchen, wobei es von ihrem Partner mit Nahrung versorgt wird. Sie fliegt ihm entgegen und übernimmt die Beute an einem gut einsehbaren Ablageplatz.
Mai
Frühestens Mitte April schlüpfen die ersten Jungen, sie werden 8-10 Tage gehudert. Die Habichtmutter schützt und wärmt hierbei ihre frisch geschlüpften Jungen unter den Flügeln oder im Bauchgefieder. Noch bis zum 20sten Tag wacht das Weibchen am Nestrand.
Juni
Mit knapp zwei Wochen machen die Kleinen die ersten Stehversuche, mit vier Wochen erste Flugsprünge im Nest. Ab Mitte Mai wird es höchste Zeit, die Jungvögel im Rahmen des Greifvogel-Monitorings zu beringen und die Anzahl und den Gesundheitszustand der Jungvögel zu erfassen.
Natürlich ist die Beringung der jungen Habichte nicht ganz ungefährlich. Mit dem Angriff des Muttertieres muss man rechnen – sie weiß ja nicht, dass die Beringung der Forschung und somit dem Schutz ihrer Zöglinge dient. Diese heikle Aufgabe wird ausschließlich von geprüften Beringern durchgeführt.
Die Kletterer müssen schwindelfrei sein und die Baumklettertechniken beherrschen. Mit einer speziellen Beringungszange werden den Jungvögeln individuell nummerierte Metallringe der staatlichen Vogelwarte Radolfzell angelegt. Der einzelne Vogel kann somit identifiziert werden, wenn er erneut gefangen oder tot aufgefunden wird. Die Ringe der Vogelwarte dienen der Erforschung von Wanderungen, Lebensdauer, Sterblichkeit und der Fortpflanzungsbiologie.
Ist das Gefieder der Jungvögel schließlich ausgewachsen, endet die Nestlingszeit. Mit 40-45 Tagen sind die jungen Habichte flugfähig.
Juni-Juli
Es folgt die sogenannte Ästlingsphase und die anschließende Bettelflugphase, in der die Jungvögel außerhalb des Nestes weiterhin von den Elterntieren gefüttert werden. Die Bettelflugphase kann drei bis sechs Wochen dauern.
Geschwisterkonkurrenz ist auch unter jungen Habichten verbreitet. Der Jungvogel auf dem Bild versucht eine leckere Krähe vor den Geschwistern zu verbergen.
Auch ein Habicht kann mal "abhängen". Dieser Schnappschuss zeigt einen jungen, noch etwas ungeschickten Habicht, der abstürzte, sich an einem Ast festkrallte und kurzzeitig kopfunter wie eine Fledermaus im Baum hing. Ein Jungvogel muss das sichere Landen noch lernen.
Ab August
Das erste Lebensjahr ist das gefährlichste für die Jungtiere. Untersuchungen zeigen Mortalitätsraten von um die 40 Prozent im ersten Lebensjahr, im zweiten noch etwa 30 Prozent. Hat ein Habicht die kritische Zeit überstanden, kann er in freier Natur schließlich bis zu 19 Jahren alt werden.
Haupttodesursache in Berlin ist nach wie vor der Scheibenanflug. Großflächig verglaste Gebäudefronten, in denen sich die Umgebung spiegelt, werden nicht als Hindernis erkannt und selbst verglaste Wartehäuschen an Bushaltestellen können zur Todesfalle werden. Der Aufprall kann zu Schädeltraumata oder Frakturen führen, die das Ende des Tieres bedeuten. Nicht mehr flugfähig, ist es nicht mehr in der Lage, sich selbständig zu ernähren.
Veterinärmedizinische Versorgung bietet - vorausgesetzt das Tier wird rechtzeitig gefunden - in solchen Fällen die Tierklinik Düppel. Die anschließende Pflege leisten Einrichtungen wie die Wildvogelstation des NABU im Wuhletal.
3. August 2009