Plagegeister oder faszinierende Geschöpfe?
Schließen Sie Frieden mit Wespen und Hornissen!
Kaum hat der Sommer in Berlin Einzug gehalten, wird nicht nur über die Hitze geklagt, sondern auch über unversehens an "unmöglichsten Stellen" entdeckte Wespennester – etwa in Verschalungen, Jalousiekästen, Garagen, Gartenhäuschen oder der Nähe von Schaukel und Buddelkasten. Aufgeregte Anrufer*innen beim NABU Berlin begehren häufig nur eines zu wissen: "Wie kriegen wir das Wespennest so schnell wie möglich weg?!" – Letztlich geht es darum, das folgende sattsam bekannte Szenario gewissermaßen im Keim zu ersticken:
Lädt die Witterung zum Grillen im Freien, zu Kaffeerunde auf Terrasse oder Balkon, stellen sich alsbald auch ungebetene Gäste ein, umschwirren penetrant schon aufgegabelte Fleisch- und Kuchenhappen oder süß beschmierte Kindermünder, krabbeln in Cola-Büchsen, säbeln sich vom Schinken so große Stücke, dass sie hernach kaum mehr zu starten vermögen oder plumpsen gleich in Bier oder Bowle. Zwar mögen auch Bienen und Hummeln darunter sein, doch vor allem die Wespen erregen die Gemüter, zumal sie sich für Abwehrversuche durch Um-sich-Schlagen, Anpusten oder dgl. auch schon mal mit ihrem gefürchteten Stich revanchieren.
Von Killerwespen und Monsterhornissen
Und je seltener noch Hornissen auftauchen, desto unausrottbarer die Mythen, die namentlich ihren Stich umranken: Sieben sollen genügen, ein ausgewachsenes Pferd zu fällen. Tatsächlich bräuchte es ungefähr ihrer 1000, um einen erwachsenen, gesunden Menschen zu Tode zu bringen. Bienengift wirkt da stärker! Anders liegen natürlich die Dinge bei gegen Insektengift Allergischen, doch hier ist das der Hornisse mitnichten gefährlicher als das anderer stechender Insekten, wie z. B. der gemütlichen Hummel, der viele nach wie vor gar keinen Stich zutrauen.) Deshalb betont NABU-Expertin Dr. Melanie von Orlow: „Die Tatsache, dass nur wenige Menschen mit der Lebensweise von Wespen oder Hornissen vertraut sind, hat zur Bildung von Mythen und Vorurteilen beigetragen."
Hymeno…was?
Indessen ist das Thema Hautflügler (Hymenoptera) ein sehr komplexes; wir kommen an dieser Stelle um Verkürzungen und Vereinfachungen nicht herum. Wer detailliertere Auskunft sucht wird auf denBerliner Hymenopterendienst sowie auf die einschlägigen, als .pdf-Datei herunterzuladenden NABU-Infos und die gedruckt vorliegende NABU-Broschüre "Bienen, Wespen und Hornissen" verwiesen, die Sie in unserer Geschäftsstelle erwerben oder unter Beilegung von zusätzlichem Rückporto dort anfordern können.
Nur elf der hierzulande verbreiteten über Hundert Wespenarten gehören zu den in Sozialverbänden lebenden, Arbeiterinnen heranziehenden Faltenwespen, wovon wiederum nur zwei Arten, nämlich die zu den sog. Kurzkopfwespen gehörende Deutsche und die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris), zeitweise dem Menschen lästig werden können. Anders als etwa die Bienen gründen Faltenwespen nur Sommerstaaten, d. h. die im Spätsommer von den Arbeiterinnen aufgezogenen, gut gefütterten und auf dem Hochzeitsflug von den Drohnen befruchteten Königinnen begeben sich sogleich an einer witterungsgeschützten Stelle in die Winterruhe, während das ganze Volk mit der alten Königin, die es vorher schlicht verhungern lässt, derweil es sich selbst noch an den Larven gütlich tut, je nach Witterung im Oktober oder November abstirbt.
Die junge Königin baut im folgenden Frühling aus gesammelten, zerbissenen und eingespeichelten morschen Holzfasern ihr neues Nest, bezieht also niemals ein altes, errichtet das neue aber nicht selten in dessen unmittelbarer Nachbarschaft. Sie legt Eier in die nach unten offenen sechseckigen Zellen der ersten Wabe und zieht aus den nach dem Schlüpfen kopfunter darin hängenden Larven, die sie mit gefangenen Insekten füttert, einige Arbeiterinnen heran, bis diese selber in der Lage sind, die weiteren Arbeiten zu erledigen und sich ihre Königin ganz dem Eierlegen widmen kann: Mit 4.000 bis 7.000 Individuen vermag sie ihren Staat binnen weniger Monate zu bevölkern (wogegen die Population eines Hornissenvolks nur einige Hundert zählt)! Die ab Juni für ihren Eigenbedarf sowie die Brutpflege nach kohlenhydrat- bzw. proteinreicher Nahrung ausschwärmenden Arbeiterinnen geraten dann sehr leicht mit dem Menschen in Konflikt.
Wespen jedoch stechen nur zur Verteidigung ihrer selbst und ihres Nestes; die selten gewordene, von der Wissenschaft zur einzig wahren, nämlich der Echten Wespe geadelten Hornisse (Vespa crabro) ist übrigens trotz ihrer Größe (eine Arbeiterin erreicht über drei, die Königin sogar vier Zentimeter) weniger reizbar und aggressiv als Gemeine und Deutsche Wespen. Nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) ist die Hornisse besonders artgeschützt: Die Tiere und ihre Nester dürfen ohne besondere Genehmigung durch die Obere Naturschutzbehörde (Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilitär. Verbraucher- und Klimaschutz, Abt. Artenschutz) weder durch Schädlingsbekämpfer noch durch Privatpersonen gestört, beschädigt oder vernichtet werden. Geeignete Stellen, wo die Errichtung des bis zu zwei Meter großen Bauwerks möglich ist bzw. geduldet wird, sind besonders knapp und zu diesem Zweck eigens Patenschaften ins Leben gerufen worden.
Zum Schutzstatus
Gemeine und Deutsche Wespe genießen freilich keinen besonderen Schutzstatus, doch nach Tierschutz- und BNatSchG sind grundsätzlich alle Tiere vor Belästigung, Verletzung und Tötung sowie Zerstörung ihrer Nester geschützt! Da auch Deutsche und Gemeine Wespen neben anderen Insekten Mücken und Fliegen jagen und auch bei der Bestäubung eine Rolle spielen, dürfen sie über ihre ökologische Funktion hinaus auch aus menschlicher Sicht durchaus als "nützlich" gelten. Da ihre Bestände bei uns noch immer sehr hoch sind, lohnt übrigens die Vernichtung eines Nests nicht das Risiko, dabei mehrfach gestochen zu werden. Ganz in der Nähe, aber besser versteckt, wird es weitere geben, und sodann fragt sich noch, ob man es denn richtig identifiziert und nicht mit dem der in keiner Weise lästig fallenden dritten Kurzkopfwespenart, der Roten Wespe, oder mit einem der nicht minder verträglichen Langkopfwespenarten verwechselt hat.
Infolge steten Verlustes möglicher Nistplätze durch akribische Bereinigung unserer Kulturlandschaften, Parkanlagen und Ziergärten sowie Vernichtung ihrer natürlichen Nahrungsquellen mittels chemischer Insektenvertilgung werden die Lebensbedingungen selbst der häufigen Wespenarten immer schlechter.
Zumal unter tierethischen Gesichtspunkten sollte es in der heutigen Phase unseres Kriegs gegen die Natur angezeigt sein, auch mit den verbliebenen vermeintlichen Plagegeistern endlich Frieden zu schließen, um mit den rapide schrumpfenden Restbeständen unserer natürlichen Mitwelt ein auskömmliches Zusammenleben zu versuchen, indem man folgende recht naheliegende Verhaltensregeln beachtet:
Was also tun beim Wespen- und Hornissenbesuch?
Bewahren Sie bei Annäherung von Wespen und Hornissen vor allem stoische Ruhe, bis die Tiere das Interesse verloren haben:
- Heftige Bewegungen, auch Wegrennen, steigern nur deren Interesse an Ihnen
- Vespern Sie im Freien nicht in der Nähe von Fallobst, überquellenden Mülleimern oder anderen, gut beflogenen Futterstellen (also auch manchen Biergarten lieber meiden)
- Decken Sie Speisen und Getränke immer ab
- Trinken Sie am besten gar nicht aus Büchsen und wenn doch, wie auch aus Flaschen, nur mit Strohhalm
- Wischen Sie Kindern nach Genuss süßer Speisen und Getränke gründlich den Mund ab bzw. halten Sie dazu an, es selber zu tun
- Halten Sie von einem Wespen- oder Hornissennest Abstand und verstellen Sie vor allem nicht den Einflugbereich - erst durch Erschütterungen werden sie alarmiert
- Hindern Sie bei einem Nest am Haus das Eindringen der Tiere in den Wohnbereich durch Anbringen von Fliegentüren und -gaze an den Fenstern
- Schätzen Sie sich glücklich, wenn Sie im Garten ein Hornissennest haben, halten seine Bewohnerinnen doch den Wespenbestand in Schach!
- Wenn es jedoch unumgänglich scheint, ein Nest zu entfernen, holen Sie zunächst kundigen Rat ein, bevor Sie Geld für den Kammerjäger ausgeben, denn viele Arten sterben schon früh im Jahr ab und machen bis dahin keine Schäden.
- Naturschutzvereine (z. B. der NABU Berlin mit dem Berliner Hymenopterendienst)
- Imker und Imkerverbände
- die untere Naturschutzbehörde, also die Naturschutz- und Landschaftsbehörden im betreffenden Bezirksamt
- Umweltbildungseinrichtungen