Noch starten die Flugzeuge vom alten Flughafen Schönefeld. - Foto: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg GmbH
BER-Airport – Bärendienst für Mensch und Natur
NABU Berlin legte erfolgreiche EU-Beschwerde ein
Versuch einer Chronik
2011
Im Oktober 2011 wurden Flugrouten für den Flughafen bekannt gegeben, die in dieser Form nicht Bestandteil der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) waren, die für die Genehmigungsplanung des Hauptstadt-Airports die Grundlage waren. Nach der damaligen Prognose sollte insbesondere der Müggelsee nicht durch Überflüge betroffen sein. Legt man aber die Herbst 2011 veröffentlichten neuen Routen zu Grunde, wird für dieses Gebiet eine Lärmbelastung von deutlich mehr als 50 Db(A) erwartet.
Die Kritik des NABU Berlin war seinerzeit deutlich: „Wenn eine Planung mit einem damit verbundenen Prüfverfahren zu 100 Prozent über den Haufen geworfen wird und alle alten Ergebnisse und Erkenntnisse nicht mehr gültig sind, kann es nicht sein, dass man bei der Regierung meint, eine neuerliche Prüfung umgehen zu können“, so Anja Sorges, Geschäftsführerin des NABU Berlin.
Die Länder Berlin und Brandenburg sowie deren zuständige Behörden hielten sich für die Bedenken der Anwohner und des Naturschutzes nicht für zuständig. Eine erneute UVP, die die Fragen zu Überflug mehrerer Flora-Fauna-Habitat (FFH)- bzw. Natura2000-Gebiete bzw. zum Schutz von Müggelsee und seines Trinkwasserschutzgebietes klären sollten, wurde abgelehnt.
Aufgrund dieser Haltung hatten der Bürgerverein Friedrichshagen e.V., Grüne Liga Berlin und NABU Berlin eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht und den Fall somit an eine höhere Instanz weitergegeben. Ziel war es, eine erneute UVP einzuleiten, die überprüft, wie die Schutzgüter Mensch und Natur von den neuen Flugroutenvarianten betroffen sind und welche gegen- und Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.
Im deutschen Recht sind UVPs an die jeweilige Baumaßnahme – hier: der BER – gekoppelt. Das Land Berlin argumentierte, dass durch die Änderungen der Flugrouten die Maßnahme als solche nicht verändert wird und daher auch keine erneute UVP notwendig sei. Damit stellte man sich offen gegen auch für Deutschland geltendes EU-Recht.
2013
Die Bearbeitung der Beschwerde inkl. Erwiderungen durch Bund, Berlin und Brandenburg sowie Stellungnahmen durch die Beschwerdeführer, nahmen das gesamte Jahr 2012 in Anspruch. Im Januar 2013 konnte die EU-Beschwerde einen Etappensieg feiern. Die zuständige EU-Kommission bemängelte, dass die Auswirkungen der endgültigen Flugroutenfestsetzung für den Flughafen Berlin-Brandenburg in rechtlich unzulässiger Weise bisher von den Behörden nicht geprüft worden seien.
Am 30. Mai 2013 gab die Kommission der Europäischen Union bekannt, dass sie wegen der Neufestlegung der Flugrouten für den BER ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einleiten würde. Damit war die EU-Beschwerde des Bürgervereins Friedrichshagen, Grüner Liga und NABU Berlin erfolgreich!
Grund für die Beschwerde und für die Reaktion der EU war, dass nach deutschem Recht die Durchführung einer UVP sowie einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bei einer Festlegung von Flugrouten, die von ursprünglichen Annahmen abweichen, nicht vorgesehen waren. Die Kommission folgte damit den von den Initiatoren der Beschwerde vorgetragenen Argumenten und beanstandete die deutsche Rechtslage.
2014
Dies bedeutete, dass die Bundesrepublik Deutschland zukünftig auch für die Festlegung von Flugrouten einheitlich eine UVP durchzuführen hat. Die entsprechende gesetzliche Einführung wurde vom Bundesverkehrsministerium zugesagt – und im gleichen Moment wieder konterkariert, da man zwar in Zukunft UVPs durchführen wolle, aber den Lärmschutz ausschloss.
Der NABU Berlin forderte jedoch umgehend, dass im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung mehr Schutzgüter zu prüfen seien, als im April 2014 von Bundesverkehrsminister Dobrint angekündigt – nämlich die Belange von Mensch UND Natur. Es entstand der Eindruck, dass bewusst ein Keil zwischen Naturschutz und die durch den Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger getrieben werden sollte.
Nichts desto trotz ist das Ergebnis der EU-Beschwerde zukunftsweisend für bundesweit alle zukünftigen Großbauverfahren bei denen wesentliche Bestandteile nachträglich noch geändert werden sollen und eine neue bzw. stärkere Belastung des Lebensumfelds zu befürchten ist. Der NABU Berlin sowie die anderen Initiatoren der EU-Beschwerde haben somit geholfen Schutzrechte für Mensch und Natur in Deutschland umzusetzen.