Dialog zu grünen Freiflächen ist längst überfällig
Naturschutzverbände und die Berliner Gartenfreunde für den dauerhaften Schutz der grünen Freiflächen
Die Berliner Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Naturschutzbund Landesverband Berlin, Grüne Liga Berlin, Naturschutzzentrum Ökowerk, NaturFreunde Berlin sowie der Landesverband der Gartenfreunde Berlin fordern Senatsverwaltung und Bezirke in einem Positionspapier auf, wertvolle grüne Freiflächen in Berlin dauerhaft zu sichern und von Bebauung frei zu halten.
Zu diesen Flächen gehören unter anderem die Gewässerufer, die Friedhöfe, die Kleingärten und die Grünanlagen. Diese grünen Freiflächen sind unabdingbar für die Erholung, die Entlastung des Stadtklimas und für den Natur- und Artenschutz und müssen deshalb vor einer Veräußerung und Bebauung geschützt werden.
Aus Sicht der Verbände haben die bisherigen Instrumente zur Verhinderung des Flächenverbrauchs durch Bebauung in der Stadt versagt. Schon seit Jahren anhängige Schutzgebietsausweisungen unterbleiben. Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm können die grünen Freiflächen nicht wirksam sichern. Daher fordern die Verbände den Dialog mit der Stadtgesellschaft darüber ein, welche Flächen erhalten werden.
Aufruf für die Kampagne IMMER.GRÜN
Berlin, die „grüne Metropole Europas“ oder „Natur pur – mitten in der Stadt“, so tönt es von allen Seiten. Eine graue Stadt, ein „Beton-Berlin“ will keiner haben. Bewohner und Besucher, Gewerbetreibende und Geschäftsleute, Politiker und Ärzte, die Tourismus- und Wohnungsbranche sehen die unschätzbaren Auswirkungen der grünen Freiflächen auf die Lebensqualität in der Stadt. Der Erfolg Berlins in den letzten Jahren gründet sich auch auf das Image einer grünen Stadt, in der das Naturerlebnis nie weiter weg ist als der nächste Spätkauf.
Doch trotz all des stolzen Lobs gibt es nun, da dieser Erfolg Früchte trägt, auch stadtweit Konflikte und Diskussionen darüber, wie mit diesen grünen Freiflächen nun weiter verfahren werden soll, ob diese eine grüne Brache oder jene bestimmte Kleingar-tenanlage bebaut werden darf oder nicht. Der Wohnungsbau war schon bestimmendes Thema der Stadtpolitik bevor die Zunahme der vor Krieg und Elend Flüchtenden die Debatte intensivierte. Dass alle Bewohner Grünanlagen, Kleingärten und Freiflächen genauso für die Erholung, ein günstiges Stadtklima und das Erleben von Artenvielfalt in der Stadt brauchen wie Brachen und Gewässerufer ist zwar im Prinzip un-strittig, im Konfliktfall heißt es dann aber seitens derer, die bauen wollen: Wir haben so viel Grün in der Stadt, da muss nicht noch dieses oder jenes Fleckchen erhalten werden, gerade wenn es hervorragend für eine Bebauung geeignet scheint. Mit dieser Argumentation haben wir in den letzten Jahren sehr viele dieser grünen Freiflächen verloren, die eigentlich durch Gesetze und Programme geschützt sein sollten. In der Summe aller Bauvorhaben wird aus einem kleinen Garten hier und einer kleinen Brache da eine große Menge versiegelter und für die Stadtnatur verlorener Fläche.
Das ist für Berlin keine unbekannte Situation. Im Laufe ihrer Geschichte hat die Stadt schon immer große Zuwanderungswellen aufgenommen und sich in kürzester Zeit von einem Zweckverband kleiner Dörfer zur größten Stadt in Deutschland entwickelt. Dabei haben die Stadtpolitiker jedoch nie ihre Verantwortung für die Menschen und die Natur vergessen. Schon vor hundert Jahren, als Berlin einen bis dato unbekannten Bauboom erlebte, hat die Stadt 10.000 Hektar Wald durch einen Dauerwaldvertrag vor einer Bebauung gesichert. Für die Menschen, für die Natur und weil eine große Stadt ohne entsprechende grüne Freiflächen keine lebenswerte Stadt ist.
Und jetzt, da wir uns aktuell wieder in einer besonders dynamischen baulichen Entwicklung befinden, brauchen wir zur Daseinsvorsorge in Hinblick auf Gesundheit und Lebensqualität dringend einen weiteren „IMMER.GRÜN“-Vertrag: ein Netz der zentralen, unveräußerlichen, nie zu bebauenden Grünflächen der Stadt. Berlin soll sich verpflichten, diese Flächen – soweit nicht ohnehin im Landesbesitz – dauerhaft gesetzlich abzusichern und gegebenenfalls zu erwerben.
Selbstverständlich gehören hierzu bereits alle naturschutzrechtlich geschützten Gebiete, die Wälder und die festgesetzten Ausgleichflächen. Ebenso Park- und Grünanlagen, Gewässerufer Kleingartenanlagen und Bahnrandflächen, die Grünen Lernorte für Umweltbildung und die
Landwirtschaftsflächen. Baulücken und Brachen müssen im Einzelfall in Betracht gezogen werden, je nach ihrer Klimawirksamkeit und Bedeutung für die grüne Infrastruktur, den Arten- und Biotopschutz, die Erholung und das Naturerlebnis.
Wir fordern deswegen den Senat auf,
die notwendige Versorgung Berlins mit einer ausreichenden Menge an Grün-, Frei- und Naturflächen im ganzen Stadtgebiet gesetzlich zu sichern.
Deshalb wird aufgrund ihrer Bedeutung für die „Grüne Infrastruktur“ der Stadt, das Stadtklima, den Arten- und Biotopschutz, die Erholung und das Naturerlebnis neben den bereits gesetzlich geschützten Flächen der Erhalt folgender Flächen gefordert:
- Grüne Bahnrandflächen
- Gewässerufer
- Kleingartenanlagen
- Friedhöfe
- Grünanlagen
- Grüne Lernorte
- Landwirtschaftsflächen
Das Land Berlin verpflichtet sich,
- alle in seinem Besitz befindlichen Grundstücke dieser Flächentypen nicht zu veräußern und nicht zu bebauen
- auf allen diesen Flächen keine Nutzungsänderungen zuzulassen; bei Gewässerufern und -randstreifen nur Nutzungsänderungen zu Gunsten grüner Freiflächen zuzulassen
- die Voraussetzungen zu schaffen, dass Flächen dieser Kategorien in Privatbesitz, die schon als bebaubar überplant sind, im Fall einer Bebauung ortsnah und in gleicher oder besserer Qualität ausgeglichen werden oder nach Möglichkeit noch vor einer Bebauung den Erwerb dieser Flächen anzustreben
- seine Flächen so zu pflegen und zu nutzen, dass die Qualitäten für Erholung, Naturerlebnis, Umweltschutz, Ökosystemdienstleistungen sowie Arten- und Biotopschutz erhalten bleiben bzw. verbessert werden
- diejenigen Flächen, die aufgrund ihrer naturschutzfachlichen Wertigkeit dringend geschützt werden müssen und daher bereits im Arbeitsplan der Verwaltung gelistet sind, endlich als Natur- bzw. Landschaftsschutzgebiete auszuweisen
- über die Veräußerung und Bebauung von Baulücken, ehemalige Bahnflächen und Brachen in einem ergebnisoffenen Beteiligungsverfahren je nach ihrer Bedeutung für Biodiversität und Stadtklima zu entscheiden.