Der gefiederte Liebesbotin steht auf der globalen Roten Liste
Turteltaube ist der Vogel des Jahres 2020
Mit der Wahl wollen wir auf die Gefährdung der kleinste Taube Europas aufmerksam machen. Seit 1980 haben wir fast 90 Prozent dieser Art verloren, ganze Landstriche sind turteltaubenfrei. Die Turteltaube (Streptopelia turtur) findet kaum noch geeignete Lebensräume. Im Mittelmeerraum ist sie außerdem durch legale und illegale Jagd bedroht.
Ausgeturtelt
Früher hat man das markante Gurren der Turteltaube an jedem Dorfrand oder Flussufer gehört. Wildkräutersamen an Feldwegen und Feldfrüchte aus Zwischensaaten boten ausreichend Nahrung. Heute brüten Turteltauben häufig auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in Weinbauregionen, wo sie noch geeignete Lebensbedingungen vorfinden.
In Berlin gibt es keine Vorkommen mehr. Zwischen 1925 bis 1945 verschwanden sie aus unseren Grünflächen und Parks – ihr Vorkommen ist erloschen. 1972 entdeckten Vogelkundler noch ein Revier auf dem Friedhof Marzahn, doch ist dies heute nicht mehr nachweisbar. Zwar kommt es vor, dass ihre Zugroute auch durch Berlin führt, doch sind Beobachtungen der kleinen Taube sehr selten.
Die Turteltaube ist der erste vom NABU gekürte Vogel, der als global gefährdete Art auf der weltweiten Roten Liste steht. Heute brüten bei uns nur noch 12.500 bis 22.000 Paare. Die meisten der höchstens 5,9 Millionen Paare Europas leben in Spanien, Frankreich, Italien und Rumänien. Turteltauben sind die einzigen Langstreckenzieher unter den Taubenarten Mitteleuropas. Sie verlassen zwischen Ende Juli und Anfang Oktober Europa, um südlich der Sahara zu überwintern.
Intensivierung der Landwirtschaft gefährdet die Turteltaube
Die 25 bis 28 Zentimeter großen Vögel mit ihrem farbenfrohen Gefieder ernähren sich von Wildkräuter- und Baumsamen. Klee-, Vogelwicke-, Erdrauch und Leimkraut-Samen schmecken dem Jahresvogel besonders gut. Leider sind diese Pflanzen bei Landwirten eher unbeliebt, weshalb die Taube seit den 60er Jahren ihr Nahrungsspektrum angepasst hat. Der Anteil von Sämereien aus landwirtschaftlichen Kulturen macht nun in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets mehr als die Hälfte der Nahrung aus statt wie früher nur 20 Prozent. Im Gegensatz zu Wildkrautsamen stehen diese aber nur für kurze Zeit bis zur Ernte zur Verfügung und fehlen während der kritischen Phase der Jungenaufzucht.
Die Intensivierung der Landwirtschaft verschlechtert die Lebensbedingungen der Turteltauben enorm – ein Schicksal, das sie mit vielen anderen Jahresvögeln teilt. Die Ausweitung von Anbauflächen geht mit einem Verlust von Brachen, Ackersäumen, Feldgehölzen und Kleingewässern einher. Damit verschwinden Nistplätze sowie Nahrungs- und Trinkstellen. Viele Äcker werden außerdem mit Herbiziden von „Unkraut“ befreit. Doch von genau diesen Ackerwildkräutern ernährt sich die Turteltaube. Außerdem ist chemisch behandeltes Saatgut vergiftete Nahrung für die Tauben. Der NABU kämpft seit Jahren für eine EU-Förderung der Landwirtschaft, die Natur erhält statt sie zu schädigen.
Taubenjagd als Freizeitsport
Eine zusätzliche Bedrohung ist die Vogeljagd im Mittelmeerraum. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die jährlich mehr als 1,4 Millionen in der EU legal geschossenen Turteltauben von der Art nicht mehr verkraftet werden können. Besonders skandalös: In manchen Ländern gilt das Schießen der stark gefährdeten Turteltauben als ,Sport‘ zum eigenen Vergnügen. Gegen Spanien und Frankreich wurden im Juli bereits Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission wegen des schlechten Erhaltungszustands der Art eingeleitet. Gegen vier weitere EU-Länder liegen offizielle Beschwerden vor. Dies ist notwendig, obwohl auf einem Treffen aller Mitgliedsstaaten im Mai 2018 ein Aktionsplan zum Schutz der Europäischen Turteltaube verabschiedet wurde.
Um den gefiederten Liebesboten zu schützen, fordert der NABU Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf, sich neben einer verbesserten Landwirtschaftspolitik auch für das dauerhafte Aussetzen der Abschussgenehmigungen in den EU-Mitgliedsstaaten einzusetzen.
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