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Naturfreundlicher Gottesacker oder doch Bauland?



Friedhofswildnis - Foto: Birgit Seitz
Oftmals ist aus den Bemühungen, Ewigkeit und Unsterblichkeit gestalterisch und künstlerisch umzusetzen, eine naturschutzfachliche Wertigkeit erwachsen. Teilweise in besten innerstädtischen Lagen wecken diese Rückzugsräume auch stadtplanerische Begehrlichkeiten.
Die Berliner Friedhöfe sind Spiegelbild der Deutschen Geschichte, fast jede Ruhestätte kann mit berühmten Zeitzeugen aufwarten. Mit einer Fläche von mehr als zehn Quadratkilometern sind sie das wohl größte Museum Berlins. Im Norden der Hauptstadt, auf einer Fläche von knapp 86 Fußballfeldern, liegt der Jüdische Friedhof Weißensee. Als Bet ha-chajjim (Ort des Lebens) oder Bet ha-olam (Ort der Ewigkeit) bezeichnen die Juden diesen Ort.
Während jüdische Grabstellen für die Ewigkeit vorgesehen sind, dürfen beispielsweise Flächen des evangelischen Friedhofsverbands nach Ablauf der Ruhezeit von 20 Jahren und einer Pietätsfrist von zehn Jahren einer anderen Nutzung überführt werden. Der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte hat sich für die Umwandlung von Friedhofsflächen in Bauland ausgesprochen. Das geht auch aus dem im Jahr 2006 veröffentlichten Friedhofentwicklungsplan (FEP) hervor, der den wachsenden Friedhofsflächenüberschuss langfristig regulieren soll. Da der FEP die Kriterien des Naturschutzes für Umwidmungsvorhaben nur ganz allgemein behandelt, hat die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. (BLN) bereits im Jahr 2005 ein Gutachten herausgegeben, um aus dem Umwidmungsflächenpool die naturschutzfachlich wertvollen Bereiche zu lokalisieren.
Bei einem der ersten Entwürfe für einen Bebauungsplan zum „Emmauskirchhof West“ stellte die BLN im Jahr 2013 noch einmal eindringlich klar, dass die Belange des Umwelt- und Naturschutzes in die Planung aufzunehmen seien, Planungsvarianten erstellt werden und die Schutzgüter abgewogen werden müssten.
Der FEP ist weitreichend und hat Flächen in bester Lage zu vergeben. Immerhin, der Schließung von Teilflächen wird Vorrang gegenüber der Schließung ganzer Friedhöfe eingeräumt. Die Kategorien „Erhalt des Friedhofs“, „Erhalt als Landschaftspark“, und „Umnutzung in Grünflächen inklusiver kleiner Teilbereiche für die sonstige Nutzung“ – also für die Bebauung, kommen jetzt, da der Senat den Wohnungsmangel angehen will, wieder ins Gespräch. So sollen 290 Hektar von insgesamt 1.200 Hektar Friedhofsfläche in Berlin kurz- und langfristig für weitere Bestattungen geschlossen werden. Gemäß FEP kommt dies für 43 Friedhöfe mit 36 Hektar Friedhofsteilfläche bereits kurzfristig in Betracht.
Noch ist vorgesehen, dass für den überwiegenden Teil (mehr als 70 Prozent) der künftig nicht mehr genutzten Friedhofsflächen eine spätere Nutzung als Grünfläche, Wald oder Friedhofspark möglich ist. Doch der Druck steigt. Die Friedhofsflächen seien nicht als Bauflächen für heute und morgen gedacht, perspektivisch erst für die nächsten Jahrzehnte, betonte der damalige Senator, Michael Müller (SPD).
Zu wenige Särge, zu wenig Wohnraum
Da sich die Bestattungskultur ändert, die Sterberate sinkt und sich mehr Menschen für ein Urnengrab anstelle einer Erdbestattung entscheiden, werden viele pflegeintensive Flächen nicht mehr benötigt. Fragwürdig ist diese Perspektive natürlich schon, denn mit dem Anwachsen der Bevölkerung werden irgendwann auch wieder mehr Friedhofsflächen nachgefragt. Doch die Zeit drängt und der Senat will nach der Abstimmungspleite zum Tempelhofer Feld nach Lösungen suchen, um den „Wohnungsmangel“ abzustellen.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt teilt auf Nachfrage mit, dass zu diesem Zweck bereits kleine Teilflächen mit insgesamt drei Hektar auf 12 verschiedenen Friedhöfen entwidmet wurden. Seit dem Beschluss des FEP wurde bisher aber nur eine Teilfläche des Friedhofs St. Simeon und St. Lukas in Neukölln, auf der zuvor nicht bestattet wurde, mit 0,74 Hektar bebaut. Dort steht nun ein Supermarkt. Zudem werde derzeit planungsrechtlich geprüft, ob der Absicht der Friedhofträger stattgegeben werden könne, 36 Hektar kurzfristig und 15 Hektar langfristig zu bebauen.
Text: Carmen Baden
Quelle: UWE RINK et al. "Ökologische Zustandsaufnahme und Bewertung von ausgewählten Berliner Friedhöfen als Entscheidungsgrundlage für Stilllegungen von Friedhöfen oder Friedhofsteilen nach dem Friedhofsentwicklungsplan", 2005, Bericht eines Projektes der BLN (Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. mit Unterstützung durch die Heidehof Stiftung