Hände weg von jungen Wildtieren
Menschliche Hilfsversuche können Schaden anrichten



Jungtiere unterwegs: Immer wieder sind nun auf Grünflächen Fuchsfamilien zu beobachten oder junge Marder toben nachts auf dem Dachboden einer Gartenlaube. - Foto: Frank Derer
Anfang April hörte man noch nachts die Füchse bellen, Marder nahmen sich zwecks vermeintlicher Revierverteidigung immer wieder, sehr zum Leidwesen der Besitzer, Autokabel vor. Doch nachdem dieser Rummel nach Ende der Ranzzeit – der Paarungszeit von Fuchs, Marder und Waschbär – abgeklungen ist, kommt ab Ende April nun der Nachwuchs zum Vorschein. Je nach Ernährungs- und Gesundheitszustand der Eltern sind die Familien um bis zu acht Nachkommen angewachsen. Und sobald die Kleinen halbwegs laufen können, folgen sie den Alttieren vor den Bau. Je älter die Jungen werden, desto häufiger entfernen sie sich auch mal länger und weiter von ihrem Versteck weg.
Kindsraub verhindern
Doch nicht jeder alleine umherstromernde Fuchs- oder Waschbärwelpe ist auch hilflos. Die Eltern sind meist in der Nähe, tauchen früher oder später auf und schleppen den Ausreißer zurück in den sicheren Bau – wenn nicht der Mensch dazwischen funkt. „Junge Füchse oder Waschbären sind verhältnismäßig zutraulich“, erläutert Anja Sorges, Geschäftsführerin und Pressereferentin vom NABU Berlin. „Aber wer einfach das Jungtier einsammelt, steht in ständiger Gefahr Kindsraub zu begehen“, wird sie deutlich. „Natürlich reagieren viele Bürger mit Beschützerinstinkt auf das sogenannte Kindchen-Schema der Jungtiere. Es ist schließlich dasselbe Prinzip, welches auch die Kontaktaufnahme zwischen Erwachsenen und Kindern erleichtert. Doch bei Marder, Waschbär und Fuchs muss immer bedacht werden, dass die Alttiere der Jungen die Erziehungsberechtigten sind.“
Dramatische Folgen
Natürlich sei es möglich, dass ein Alttier zu Schaden gekommen ist, aber auch bei einem solchen Verdacht gilt es, erst einmal abzuwarten. Bei Marder, Waschbär und Fuchs kümmern sich beide Alttiere um die Welpen und die suchen dann vergebens nach ihrem vom Menschen eingesammelten Nachwuchs.
Das Schicksal dieser durch Menschen aufgezogenen Jungtiere kann durchaus tragisch sein: sie werden fehlgeprägt, verlieren jegliche Scheu und häufig lernen sie nicht, selbst für ihr Futter zu sorgen. Eine Wiederauswilderung ist so gut wie unmöglich und besonders die Rüden werden nach der Geschlechtsreife aufdringlich und ihren menschlichen Helfern dann mit ihrem Urinieren und Beißen lästig.
Die Folgen für diese Wildtiere sind meist furchtbar: entweder vegetieren sie in Gefangenschaft vor sich hin, statt in der freien Wildbahn leben zu können oder werden aufgrund massiver Verhaltensstörungen eingeschläfert. Dieses Schicksal sollte niemanden kalt lassen. „Natürlich gehen die großen Kulleraugen zu Herzen und die Kontaktrufe zwischen Jungtier und Eltern gehen einem durch und durch“, erläutert Sorges eine recht häufige Beschreibung in den Gesprächen mit der NABU-Wildtierberatung, die für Bürgerfragen rund um diese Arten zur Verfügung steht. „Doch die Natur hat es eingerichtet, dass die Hilfe des Menschen nicht notwendig ist. Bevor Sie also ein vermeintlich verwaistes Wildtier einsammeln und versuchen zu Hause großzuziehen, überlegen Sie bitte, wie die Zukunft des kleinen Waschbären, Marder oder Fuchses dann aussehen kann.“