Situation der Straßentaube in Berlin
Sind sie eine Gefahr oder gefährdet?
Situation der Straßentaube in Berlin
Sind sie eine Gefahr oder gefährdet?
Da derzeit äußerst unterschiedliche Angaben über die Populationsgröße der Straßentaube und deren Gesundheitszustand kursieren, sieht sich der NABU Berlin zu einer Klarstellung veranlasst.
Der Bestand der Straßentaube in Berlin wurde bei einer Erfassung im Winter 2009/2010 auf rund 9.000 Individuen geschätzt. Der Schwerpunkt ihrer Verbreitung lag dabei vor allem in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg. Vergleichbare Schätzungen aus den Jahren 2005/2007 gingen von rund 14.000 Individuen aus. Anderslautende Zahlen von 50.000 Exemplaren und mehr können weder NABU Berlin noch die Berliner Ornithologische Arbeitsgemeinschaft (BOA) bestätigen und wurden von diesen Organisationen auch nicht publiziert.
Population unter Druck
Bereits seit 1990 wurde von den Fachleuten ein Rückgang der Straßentaube in Berlin beobachtet. Ursachen sind unter anderem der Rückgang von Lager- und Umschlagplätzen, wie der Osthafenmühle, wo die Tauben Nahrung fanden, die flächendeckende Sanierung der Bausubstanz, die zuvor der Art Brutmöglichkeiten in Nischen und Öffnungen geboten hat, sowie die zahlreichen Abwehrmaßnahmen an den noch vorhandenen Nischen.
Sind die Brutplätze „unhygienisch“ und sind Straßentauben in Berlin generell „krank“ oder durch menschliche Aktivitäten in ihrer Gesundheit bedroht?
Nach Einschätzung des NABU Berlin leidet die Berliner Straßentaubenpopulation weder in hygienischer Hinsicht noch ist sie besonderen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Rainer Altenkamp, 2. Vorsitzender des NABU Berlin und Leiter der AG Greifvogelschutz: „Selbstverständlich kann der Mensch den Kot der Tauben als unhygienisch oder zumindest unästhetisch bewerten, aber das heißt nun keineswegs, dass dieser Kot für die Straßentaube selbst ein Problem darstellt. Bei koloniebrütenden Höhlenbrütern, wie der Straßentaube, ist der Anfall großer Kotmengen im Bereich der Brutplätze ebenso normal wie das Verwesen toter Artgenossen und die damit für menschliche Nasen teilweise sehr unangenehmen Gerüche. In seit Jahrtausenden von Brutkolonien genutzten tropischen Höhlen haben sich auf und in solchen Kotschichten ganze Ökosysteme etabliert. Die Mengen sind zum Teil so groß, dass sie von der lokalen Bevölkerung als Dünger abgebaut werden.“
Altenkamp weiter: „Die Straßentaube ist zudem eine Hauptnahrung der städtischen Habichte, die alle Tiere, die nicht zu 100% fit sind, sehr schnell erbeuten. Wir haben also eine relativ kleine Taubenpopulation, die zudem durch den Habicht einer ständigen und sehr intensiven „Gesundheitskontrolle“ unterliegt. Probleme mit menschlichen Hinterlassenschaften wie Garn, das sich um die Zehen wickelt und diese zum Absterben bringt, haben entgegen häufig verbreiteten Meinungen nicht nur die Straßentaube, sondern auch viele andere Vogelarten. Dieses Problem ist außerdem nicht nur auf städtische Räume beschränkt. Die Lösung kann daher nur in der möglichst gründlichen Beseitigung solcher Gefahrenquellen liegen, aber doch unter keinen Umständen in der Reduktion der davon betroffenen Arten.“
Erfassung der Vogelbestände durch BOA und NABU Berlin
Die Berliner Ornithologische Arbeitsgemeinschaft e. V. (BOA) sammelt und veröffentlicht die avifaunistischen Daten für Berlin. Sie koordiniert und beteiligt sich an nationalen sowie internationalen Zählungen und Monitoringprogrammen zur Überwachung der Bestandsentwicklung heimischer Vogelarten. Auch viele NABU-Mitglieder tragen mit ihren Beobachtungen zu den umfangreichen Ergebnissen bei, die wichtige Bausteine für die Bestandsüberwachung und den staatlichen Naturschutz sind. Gerade im urbanen Lebensraum von Berlin ist es für die Ornithologen dabei unerheblich, ob und wie stark eine Vogelart urbanisiert ist, da sie eine Gesamtbetrachtung für ihre Rückschlüsse auf Gunst- und Ungunstfaktoren benötigen.
5. November 2010